Anhebung des Höchstrechnungszinses in der Lebensversicherung 

Ein Mann mit Koffer auf einer Rolltreppe

03 Dezember 2024

Ab dem 1. Januar 2025 wird der Höchstrechnungszins in der Lebensversicherung von derzeit 0,25 % auf 1,0 % erhöht. Dies ist die erste Erhöhung seit über 30 Jahren und hat verschiedene Auswirkungen auf die Versicherungsprodukte und deren Beiträge.

Auswirkungen auf Biometrieprodukte

Die Erhöhung des Höchstrechnungszinses, auch Garantiezins genannt, wird positive Effekte auf Biometrieprodukte wie Berufsunfähigkeits- und Todesfallversicherungen haben. Durch diese Anhebung werden die Prämien für diese Produkte günstiger, was zur höheren Attraktivität der Produkte bei Verbrauchern führen wird. Nach aktuellen Informationen können die Einsparungen bei der Berufsunfähigkeitsversicherung zwischen 8 % und 15 % liegen.

Einfluss auf klassische Lebensversicherungen

Die Erhöhung des Rechnungszinses hat vor allem Auswirkungen auf klassische Lebensversicherungen, wie zum Beispiel aufgeschobene Rentenversicherungen. Durch die Anhebung ergeben sich höhere Garantieleistungen, sowohl in Form von Renten- als auch von Kapitalauszahlungen. Allerdings werden die Gesamtkapitalleistungen inkl. Überschüsse nicht über den Verträgen mit geringerem Rechnungszins ausfallen. Anders verhält es sich bei den Rentenleistungen. Die Anhebung des Rechnungszinses wird bei Rentenübergang zu höheren Start-Renten führen. 

Einfluss auf kapitalmarktnahe Lebensversicherungen (Hybridtarife)

Bei Hybridtarifen hat die Anhebung des Rechnungszinses in der Ansparphase kaum Einfluss, da die Mindestrendite nicht durch den Rechnungszins, sondern durch die gewählte Garantiehöhe bestimmt wird, zum Beispiel 80 % der Beitragssumme. Je nach gewähltem Garantieniveau wird auch der Umfang der Kapitalanlage in chancenorientierte Fonds bestimmt, wo es keine Mindestverzinsung in Höhe des Garantiezinses gibt. Bei Rentenübergängen gilt ebenfalls, dass die Anhebung des Rechnungszinses zu höheren Start-Renten führt.

Betriebliche Altersversorgung

In der betrieblichen Altersversorgung könnten Lösungen interessant werden, die in der Regel klassische Lebensversicherungen erfordern und aufgrund des niedrigen Rechnungszinses zuvor zu teuer waren. Liquidationsversicherungen, die abgeschlossen werden, um die Voraussetzungen für die Liquidation eines Unternehmens zu schaffen, ermöglichen es, die Verpflichtungen aus der betrieblichen Altersversorgung auf einen Versicherer ab 01.01.2025 günstiger zu übertragen. Berechnungen zeigen, dass bei einem gemischten Bestand aus Rentnern und Anwärtern eine Beitragsersparnis von 15 % aufgrund der Anhebung des Rechnungszinses durchaus möglich ist. Gleiches gilt bei der Absicherung von Pensionsansprüchen, die über der Absicherungsgrenze des Pensions-Sicherungsverein liegen, also keinen vollständigen gesetzlichen Insolvenzschutz haben. Auch in diesen Fällen werden oft verpfändete klassische Lebensversicherungsverträge eingesetzt, um zusätzlichen privatrechtlichen Insolvenzschutz zu erhalten.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Anhebung des Rechnungszinses bei kapitalmarktnahen Produkten in der Anwartschaftsphase kaum Auswirkungen hat und erst bei Rentenübergängen eine Rolle bei der Berechnung der Start-Rente spielt, die dann entsprechend höher ausfällt. Klassische Tarife wurden in den letzten Jahren aufgrund des niedrigen Rechnungszinses und der damit verbundenen geringen Renditeaussichten immer weniger nachgefragt. Ob die Anhebung auf 1 % zu einer höheren Nachfrage führt, ist aufgrund der grundsätzlich niedrigeren Renditechancen fraglich. Auch bei klassischen Tarifen werden keine höhere Kapitalleistungen inkl. Überschüsse in der Ansparphase gegenüber Tarifen mit niedrigerem Rechnungszins erwartet. Dennoch wird es auch hier höhere Start-Renten bei Rentenübergang geben. In der betrieblichen Altersversorgung werden Lösungen, die Garantieleistungen aus klassischen Tarifen benötigen, wie Liquidationsversicherungen oder Insolvenzschutz von Pensionszusagen, durch die Anhebung des Rechnungszinses wieder interessanter. Bei Biometrieabsicherungen profitieren insbesondere Berufsunfähigkeitsversicherungen von günstigeren Beiträgen. Die Anhebung des Rechnungszinses führt bei Todesfallversicherungen, je nach Ausgestaltung, zu mehr oder weniger deutlichen Beitragseinsparungen.

Sozialabgaben

Bei der betrieblichen Altersversorgung spielen die Sozialabgaben und der Steuertarif nur selten eine Rolle, aber bei der Bewertung von Altersteilzeit- oder Jubiläumsverpflichtungen sind sie von Bedeutung. Hier gibt es derzeit eine gewisse Unsicherheit, welche Vorhaben der Bundesregierung noch umgesetzt werden.

Der durchschnittliche Zusatzbeitrag für die gesetzliche Krankenversicherung beträgt ab 01.01.2025 2,5 %. Dieser Betrag ist bereits im Bundesanzeiger veröffentlicht.

Für die Anhebung des Pflegeversicherungsbeitrags um 0,2 Prozentpunkte zum 01.01.2025 liegt ein Verordnungsentwurf vor. Wir gehen davon aus, dass er noch rechtzeitig in diesem Jahr verabschiedet wird.

Das Gesetz zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums 2024 ändert den Steuertarif rückwirkend ab dem 01.01.2024. Allerdings sollte es ursprünglich weitere Änderungen des Steuertarifs ab dem 01.01.2025 und dem 01.01.2026 geben, die im Steuerfortentwicklungsgesetz geregelt werden sollten. Wir gehen davon aus, dass diese Änderungen nicht mehr durchgesetzt werden, und berücksichtigen sie bei der Bewertung daher nicht.

Sterbetafeln

Die Sterbetafeln sind zwar eine bedeutsame Bewertungsannahme. Allerdings gibt es derzeit keinen Anhaltspunkt für Änderungsbedarf. Die üblicherweise verwendeten Heubeck-Richttafeln 2018 G können weiterhin unverändert verwendet werden. Wegen Einzelheiten empfehlen wir den Beitrag Noch passen die Tafeln vom 14.06.2024 auf Pensions Industries.

Zu beachten ist aber: Zwischenzeitlich sind die ersten Daten des Zensus 2022 veröffentlicht worden. Sobald detailliertere Daten vorliegen, sind sicherlich auch die verwendeten Sterbetafeln erneut zu prüfen. Das wird aber frühestens im nächsten Jahr möglich sein.

Über den/die Autor:in(nen)
Stephan Hebel

Leiter Growth Center Insured Benefits, Mercer Deutschland