Referentenentwurf BRSG II: Verbesserungen für Pensionskassen 

Zwei Männer laufen in einem Bürogebäude über den Flur und unterhalten sich

23 August 2024

Erhöhter Spielraum in der Kapitalanlage von Pensionskassen

Für die Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (EbAV) bietet der Referentenentwurf zum BRSG II einige signifikante Neuerungen und Verbesserungen. Im Folgenden sollen insbesondere die Flexibilisierungen der Kapitalanlage von Pensionskassen im Fokus stehen, denn hier hat der Referentenentwurf einiges zu bieten, was das Herz eines regulierten Kapitalanlegers höherschlagen lässt.

Im Ergebnis führt der Referentenentwurf zum BRSG II zu einer deutlich liberaleren Gestaltung der sog. Anlageverordnung, die für Pensionskassen, Sterbekassen und kleine Versicherungsunternehmen i.S.d. § 211 VAG die allgemeinen Anlagegrundsätze des Versicherungsaufsichtsgesetzes konkretisiert, die erwerbbaren Anlageformen definiert und die Mischung und Streuung der Kapitalanlage vorschreibt.

Flexibilisierung der Öffnungsklausel

So soll die sog. Öffnungsklausel für Investments in Anlagen, die die Voraussetzungen der Anlageverordnung nicht erfüllen, angepasst werden. Der Referentenentwurf sieht vor, dass künftig auch Anlagen unter die Öffnungsklausel gezogen werden können, die die Streuungsgrenzen nach § 4 Absatz 1 bis 4 AnlV übersteigen. Die Kapazität der Öffnungsklausel (5% bzw. – mit Erlaubnis der BaFin bis zu 10% des Sicherungsvermögens) bleibt zwar unverändert, die neue Flexibilität ermöglicht es jedoch, die Streuungsgrenzen im Hinblick auf einzelne Schuldner bzw. Investments etwas weniger restriktiv zu handhaben.

Erhöhung der Risikokapitalquote

Die Risikokapitalquote soll von 35 % auf 40 % erhöht werden. Diese Quote gibt den Anteil des Sicherungsvermögens an, den Pensionskassen in risikoreichere Anlageklassen investieren können (z. B. Nachrangforderungen, Aktien und Beteiligungen, bestimmte Anteile bzw. Aktien von Investmentvermögen, Unternehmensdarlehen oder Wertpapierdarlehen auf Basis von Aktien und alternative Anlagen). Damit erhalten Pensionskassen einen größeren Spielraum für ihre Kapitalanlagen, indem sie einen größeren Anteil ihres Vermögens in Anlageklassen investieren können, die mit höheren Risiken (aber häufig auch mit entsprechend höheren Rendite-Aussichten) verbunden sind, wie beispielsweise Aktien oder alternative Anlagen. Ein Ausbau der Kapitalanlage im Rahmen der höheren Risikokapitalquote kann dazu genutzt werden, weitere Renditequellen zu erschließen, die Diversifikation im Portfolio zu erhöhen und der derzeit höheren Inflation entgegenzuwirken. 

Einführung einer Infrastrukturquote

Schließlich soll eine eigene Infrastrukturquote in Höhe von 5 % des Sicherungsvermögens eingeführt werden. Dies soll es Pensionskassen ermöglichen, einen bestimmten Anteil ihres Vermögens in Infrastrukturprojekte zu investieren, d.h. unter anderem in die Bereitstellung, den Ausbau, den Betrieb oder die Erhaltung von Vermögenswerten, die im allgemeinen öffentlichen Interesse stehen. Dabei können sowohl Eigen- als auch Fremdkapitalinstrumente als Anlagen genutzt werden. Die finanzierten Infrastrukturprojekte müssen dabei den Anforderungen des Anlagekatalogs aus § 2 AnlV genügen, in dem Land des Projektbetreibers belegt sein und als im allgemeinen öffentlichen Interesse stehend angesehen werden.

Die Infrastrukturquote soll nicht auf die bestehenden Mischungsquoten der Anlageverordnung angerechnet werden, so dass sie nicht mit anderen risikoreichen Anlagen konkurrieren. Ziel ist es, die Investitionen in Infrastrukturprojekte zu erleichtern, die langfristige und stabile Erträge, die größtenteils an die Inflationsentwicklung gekoppelt sind, generieren können und eine geringere Volatilität als beispielsweise Aktien aufweisen. Da Infrastruktur als struktureller Wachstumstreiber der Zukunft angesehen wird (z.B. durch zunehmenden Bedarf an privaten Infrastrukturinvestition) und positiver Katalysator für Themen wie bspw. die Digitalisierung oder die Energiewende sein kann, bietet diese Anlageklassen institutionellen Investoren ein langfristiges Renditepotenzial.

Insgesamt sind die geplanten Änderungen der Anlageverordnung zu begrüßen, da auch den Pensionskassen im zu erwartenden höheren Inflationsumfeld mehr Möglichkeiten gegeben werden, Rendite und Diversifikation zu generieren und die Kapitalanlage aktiv zu steuern, z.B. durch Investments in digitale Infrastruktur oder die Energiewende. Mercer sieht Infrastruktur als wichtigen Baustein in einer langfristig ausgerichteten SAA, in die Pensionskassen nach dem Referentenentwurf künftig in einer separaten Anlagequote investieren dürfen.

Lockerung der Bedeckungsvorschriften für Pensionskassen

Über die Änderungen in der Anlageverordnung selbst hinaus ist im Referentenentwurf vorgesehen, die strengen Bedeckungsvorschriften für Pensionskassen zu liberalisieren. Bisher mussten die Pensionskassen eine jederzeitige Bedeckung der Verpflichtungen durch Vermögenswerte sicherstellen. Der Gesetzentwurf sieht nun die Möglichkeit einer temporären Unterdeckung in Verbindung mit einem Sicherungsvermögensplan vor, wie es schon ganz ähnlich bei Pensionsfonds umgesetzt ist (dort als sog. Bedeckungsplan). Damit dürfen – der Höhe nach und zeitlich begrenzt – die Buchwerte der Kapitalanlagen geringer sein als die bilanziellen Verpflichtungen. Die Unterdeckung darf max. 10% betragen und der Sicherungsvermögensplan muss Zahlungen der Arbeitgeber oder von Dritten vorsehen, um die Unterdeckung nach spätestens 10 Jahren zu beseitigen. Darüber hinaus muss der Sicherungsvermögensplan von der BaFin genehmigt werden, die außerdem regelmäßig über die Höhe der Unterdeckung und die Zahlungsraten informiert werden muss.

Um die Bedeckung zu gewährleisten, sind die beteiligten Arbeitgeber oder Dritten verpflichtet, Zahlungen an die Pensionskasse zu leisten, sobald eine Unterdeckung eintritt. Die Zeitpunkte und Höhen der Zahlungen ergeben sich aus dem Sicherungsvermögensplan. Die Zahlungen müssen regelmäßig, mindestens jährlich, erfolgen und können bei einer Verschlechterung der Bedeckung angepasst werden.

Die geplante Neuregelung zur temporären Unterdeckung schafft somit zusätzliche Spielräume bei der Kapitalanlage, indem in Anlagen mit höheren Renditen investiert werden kann. Die Leistungsfähigkeit der Pensionskassen wird gestärkt und die Versorgungsberechtigten erhalten eine Aussicht auf potenziell höhere Leistungen durch die Aussicht auf attraktivere Kapitalanlageergebnisse und somit Überschussbeteiligungen.

Umsetzung der flexibleren Anlagemöglichkeiten in der Praxis

Die geplanten Neuerungen eröffnen für Pensionskassen neue Perspektiven in der Kapitalanlage. Insbesondere die Flexibilisierung der Öffnungsklausel, die Erhöhung der Risikokapitalquote sowie die Einführung einer neuen Infrastrukturquote, die nicht auf die übrigen Anlagequoten angerechnet wird, ermöglichen neue alternative Kapitalanlagestrategien, welche im Pensionskassenumfeld so bis dato nicht möglich waren.

Die Möglichkeit der temporären Unterdeckung lockert die Rahmenbedingungen für die strategische Anlagenallokation der Pensionskassen ebenfalls signifikant.

Die Umsetzung dieser neuen Freiheiten muss aber den aufsichtsrechtlichen Anforderungen an das Risiko- und Kapitalanlagemanagement von Pensionskassen genügen. Damit ergibt sich das Erfordernis, die bisherige Kapitalanlagestrategie auf den Prüfstand zu stellen und die Kapitalanlage- und Risikomanagementprozesse an ggf. höhere Volatilitäten der Kapitalanlage anzupassen. 

Überprüfung der Strategischen Anlagestrategie

Üblicherweise wird die Strategische Anlagestrategie regelmäßig, z. B. alle drei Jahre im Rahmen einer sog. ALM-Studie (Asset-Liability-Matching) überprüft. Aufgrund der beschriebenen geplanten Änderungen ist es sinnvoll, in einer ad-hoc ALM-Studie zu überprüfen, welches Optimierungspotenzial bezüglich des Rendite-/Risikoprofils der Kapitalanlagen künftig genutzt werden kann. Insbesondere die höhere Risikokapitalquote bzw. die neue Infrastrukturquote sowie die temporäre Unterdeckung können die langfristige Effizienzkurve deutlich verschieben.

So kann in einem ALM-Update mittels (robuster) Portfoliooptimierung untersucht werden, welche Möglichkeiten der neue Spielraum in der Kapitalanlage der Pensionskasse bringen kann (unter individueller Berücksichtigung der Anforderungen und derzeitigen Set-up der Kapitalanlage). Portfolioumstellungen können einerseits dazu genutzt werden, eine höhere erwartete Zielrendite bei gleichem Risiko anzupeilen oder aber Risiko zu reduzieren, wenn der erwartete Ertrag unverändert bleiben soll. Höhere Diversifikation durch breitere Streuung der Kapitalanlage im Rahmen der Risikokapitalquote und/oder die Aufnahme und Ausbau der Anlageklasse Infrastruktur kann das Rendite-/Risikoverhältnis verbessern und Effizienzgewinne generieren. Die Portfoliooptimierung und geplante Umstellung werden natürlich im Gesamtkontext der Pensionskasse analysiert, d. h. in Abstimmung mit den Verpflichtungen, den Anforderungen und Rahmenbedingungen der Kapitalanlage sowie einem konkreten Umsetzungsplan.  

Überprüfung der Risikomanagementprozesse

Höhere Kapitalanlagefreiheiten bedingen aufsichtsrechtlich sorgfältigere Risikomanagementprozesse. Diese sind in den BaFin-Rundschreiben zu den Mindestanforderungen an die Geschäftsorganisation und zur Kapitalanlage definiert. Wenn Pensionskassen die Liberalisierung der Kapitalanlage des Referentenentwurfs zum BRSG II umsetzen wollen, kann dies im Rahmen der kapitalanlagebezogenen Beratungsleistungen von Mercer erfolgen oder im Rahmen der Überprüfung bzw. Überarbeitung des gesamten Regelwerks, z. B. in Form eines Regulatory Compliance Checks aller Risikomanagementdokumente sowie der Aufbau- und Ablauforganisation.
Referentenentwurf BRSG II: deutliche Verbesserungen für Pensionskassen geplant.
Über den/die Autor:in(nen)
Dr. Bernhard Holwegler
Björn Wille

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