Referentenentwurf BRSG II: Verbesserungen für Pensionskassen
23 August 2024
Erhöhter Spielraum in der Kapitalanlage von Pensionskassen
Für die Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (EbAV) bietet der Referentenentwurf zum BRSG II einige signifikante Neuerungen und Verbesserungen. Im Folgenden sollen insbesondere die Flexibilisierungen der Kapitalanlage von Pensionskassen im Fokus stehen, denn hier hat der Referentenentwurf einiges zu bieten, was das Herz eines regulierten Kapitalanlegers höherschlagen lässt.
Im Ergebnis führt der Referentenentwurf zum BRSG II zu einer deutlich liberaleren Gestaltung der sog. Anlageverordnung, die für Pensionskassen, Sterbekassen und kleine Versicherungsunternehmen i.S.d. § 211 VAG die allgemeinen Anlagegrundsätze des Versicherungsaufsichtsgesetzes konkretisiert, die erwerbbaren Anlageformen definiert und die Mischung und Streuung der Kapitalanlage vorschreibt.
Flexibilisierung der Öffnungsklausel
Erhöhung der Risikokapitalquote
Einführung einer Infrastrukturquote
Die Infrastrukturquote soll nicht auf die bestehenden Mischungsquoten der Anlageverordnung angerechnet werden, so dass sie nicht mit anderen risikoreichen Anlagen konkurrieren. Ziel ist es, die Investitionen in Infrastrukturprojekte zu erleichtern, die langfristige und stabile Erträge, die größtenteils an die Inflationsentwicklung gekoppelt sind, generieren können und eine geringere Volatilität als beispielsweise Aktien aufweisen. Da Infrastruktur als struktureller Wachstumstreiber der Zukunft angesehen wird (z.B. durch zunehmenden Bedarf an privaten Infrastrukturinvestition) und positiver Katalysator für Themen wie bspw. die Digitalisierung oder die Energiewende sein kann, bietet diese Anlageklassen institutionellen Investoren ein langfristiges Renditepotenzial.
Insgesamt sind die geplanten Änderungen der Anlageverordnung zu begrüßen, da auch den Pensionskassen im zu erwartenden höheren Inflationsumfeld mehr Möglichkeiten gegeben werden, Rendite und Diversifikation zu generieren und die Kapitalanlage aktiv zu steuern, z.B. durch Investments in digitale Infrastruktur oder die Energiewende. Mercer sieht Infrastruktur als wichtigen Baustein in einer langfristig ausgerichteten SAA, in die Pensionskassen nach dem Referentenentwurf künftig in einer separaten Anlagequote investieren dürfen.
Lockerung der Bedeckungsvorschriften für Pensionskassen
Über die Änderungen in der Anlageverordnung selbst hinaus ist im Referentenentwurf vorgesehen, die strengen Bedeckungsvorschriften für Pensionskassen zu liberalisieren. Bisher mussten die Pensionskassen eine jederzeitige Bedeckung der Verpflichtungen durch Vermögenswerte sicherstellen. Der Gesetzentwurf sieht nun die Möglichkeit einer temporären Unterdeckung in Verbindung mit einem Sicherungsvermögensplan vor, wie es schon ganz ähnlich bei Pensionsfonds umgesetzt ist (dort als sog. Bedeckungsplan). Damit dürfen – der Höhe nach und zeitlich begrenzt – die Buchwerte der Kapitalanlagen geringer sein als die bilanziellen Verpflichtungen. Die Unterdeckung darf max. 10% betragen und der Sicherungsvermögensplan muss Zahlungen der Arbeitgeber oder von Dritten vorsehen, um die Unterdeckung nach spätestens 10 Jahren zu beseitigen. Darüber hinaus muss der Sicherungsvermögensplan von der BaFin genehmigt werden, die außerdem regelmäßig über die Höhe der Unterdeckung und die Zahlungsraten informiert werden muss.
Um die Bedeckung zu gewährleisten, sind die beteiligten Arbeitgeber oder Dritten verpflichtet, Zahlungen an die Pensionskasse zu leisten, sobald eine Unterdeckung eintritt. Die Zeitpunkte und Höhen der Zahlungen ergeben sich aus dem Sicherungsvermögensplan. Die Zahlungen müssen regelmäßig, mindestens jährlich, erfolgen und können bei einer Verschlechterung der Bedeckung angepasst werden.
Die geplante Neuregelung zur temporären Unterdeckung schafft somit zusätzliche Spielräume bei der Kapitalanlage, indem in Anlagen mit höheren Renditen investiert werden kann. Die Leistungsfähigkeit der Pensionskassen wird gestärkt und die Versorgungsberechtigten erhalten eine Aussicht auf potenziell höhere Leistungen durch die Aussicht auf attraktivere Kapitalanlageergebnisse und somit Überschussbeteiligungen.
Umsetzung der flexibleren Anlagemöglichkeiten in der Praxis
Die geplanten Neuerungen eröffnen für Pensionskassen neue Perspektiven in der Kapitalanlage. Insbesondere die Flexibilisierung der Öffnungsklausel, die Erhöhung der Risikokapitalquote sowie die Einführung einer neuen Infrastrukturquote, die nicht auf die übrigen Anlagequoten angerechnet wird, ermöglichen neue alternative Kapitalanlagestrategien, welche im Pensionskassenumfeld so bis dato nicht möglich waren.
Die Möglichkeit der temporären Unterdeckung lockert die Rahmenbedingungen für die strategische Anlagenallokation der Pensionskassen ebenfalls signifikant.
Die Umsetzung dieser neuen Freiheiten muss aber den aufsichtsrechtlichen Anforderungen an das Risiko- und Kapitalanlagemanagement von Pensionskassen genügen. Damit ergibt sich das Erfordernis, die bisherige Kapitalanlagestrategie auf den Prüfstand zu stellen und die Kapitalanlage- und Risikomanagementprozesse an ggf. höhere Volatilitäten der Kapitalanlage anzupassen.
Überprüfung der Strategischen Anlagestrategie
Üblicherweise wird die Strategische Anlagestrategie regelmäßig, z. B. alle drei Jahre im Rahmen einer sog. ALM-Studie (Asset-Liability-Matching) überprüft. Aufgrund der beschriebenen geplanten Änderungen ist es sinnvoll, in einer ad-hoc ALM-Studie zu überprüfen, welches Optimierungspotenzial bezüglich des Rendite-/Risikoprofils der Kapitalanlagen künftig genutzt werden kann. Insbesondere die höhere Risikokapitalquote bzw. die neue Infrastrukturquote sowie die temporäre Unterdeckung können die langfristige Effizienzkurve deutlich verschieben.
So kann in einem ALM-Update mittels (robuster) Portfoliooptimierung untersucht werden, welche Möglichkeiten der neue Spielraum in der Kapitalanlage der Pensionskasse bringen kann (unter individueller Berücksichtigung der Anforderungen und derzeitigen Set-up der Kapitalanlage). Portfolioumstellungen können einerseits dazu genutzt werden, eine höhere erwartete Zielrendite bei gleichem Risiko anzupeilen oder aber Risiko zu reduzieren, wenn der erwartete Ertrag unverändert bleiben soll. Höhere Diversifikation durch breitere Streuung der Kapitalanlage im Rahmen der Risikokapitalquote und/oder die Aufnahme und Ausbau der Anlageklasse Infrastruktur kann das Rendite-/Risikoverhältnis verbessern und Effizienzgewinne generieren. Die Portfoliooptimierung und geplante Umstellung werden natürlich im Gesamtkontext der Pensionskasse analysiert, d. h. in Abstimmung mit den Verpflichtungen, den Anforderungen und Rahmenbedingungen der Kapitalanlage sowie einem konkreten Umsetzungsplan.