Einseitige Kapitalwahlrechtsklauseln – Was nicht geht, aber auch: Was geht! 

21 März 2023

Wie bereits berichtet hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) Anfang des Jahres in zwei Fällen zu entscheiden, ob der Arbeitgeber aufgrund einer Klausel einseitig berechtigt war, statt der zugesagten Rente ein Einmalkapital auszuzahlen. Zu einer der Entscheidungen (BAG, Urt. 17.01.2023 – 3 AZR 220/22) sind die Urteilsgründe jetzt veröffentlicht worden. Obwohl die Klausel vor dem BAG keinen Bestand hatte, lässt sich der Entscheidung des Gerichts aber auch entnehmen, dass solche Klauseln nicht grundsätzlich unzulässig sind. Richtig gestaltet, sind sie in der Praxis vielmehr weiter verwendbar.

Der Fall

Im Fall ging es bekanntermaßen um eine Versorgungszusage über eine pauschaldotierte Gruppenunterstützungskasse, die die Versorgungsberechtigte – wie auch andere vom Arbeitgeber dort angemeldete Arbeitnehmer  – mit einem Schreiben über die Versorgungszusage informiert hatte. Gemäß dem darin in Bezug genommenen Leistungsplan beinhaltet die Zusage eine betragsmäßig bestimmte nach Erreichen des 65. Lebensjahres lebenslang monatlich zahlbare Altersrente, die sich mit einer prozentualen Anwartschaftsdynamik jährlich erhöht. In einer Klausel behielt sich „die Versorgungskasse […] vor, anstelle einer laufenden Rente eine einmalige Kapitalabfindung in Höhe der 10-fachen Jahresrente zu zahlen.“

Zum Rentenbeginn machte der Arbeitgeber von der Klausel Gebrauch. Statt der eigentlich begehrten monatlichen Rente von 1.030,41 €, erhielt die Versorgungsberechtigte dadurch eine „Kapitalabfindung“ von 106.476,25 € (nach Abzug von Lohnsteuer). Das war aus Sicht des Arbeitgebers vorteilhaft, da dadurch Langlebigkeitsrisiken, sowie weiterer Rentenanpassungs- und Administrationsaufwand vermieden wird. Darüber hinaus wollte der Arbeitgeber auf diese Weise das bei der Unterstützungskasse bestehende Darlehen reduzieren. Das Ergebnis ist bekannt: Die Klausel hatte keinen Bestand und die Versorgungsberechtigte hat Anspruch auf die monatliche Rentenzahlung.

Was nicht geht

Was aus Sicht des BAG nicht geht wird sofort deutlich, wenn man die Klausel in die sich aus der Bewertung des BAG ergebende Lesart übersetzt. Dann würde die Klausel etwa wie folgt lauten: Die Versorgungskasse behält sich vor, die laufende Rente durch eine geringwertigere einmalige Kapitalabfindung in Höhe der 10-fachen Jahresrente zu ersetzen. Es überrascht nicht, dass das BAG die Klausel als rechtswidrig bewertet hat.

Aber der Reihe nach: Die Bewertung beginnt mit der Einordnung der Klausel als Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB), sodass die Inhaltskontrolle des dem Verbraucherschutz dienenden AGB-Rechts (§§ 305 ff. Bürgerliches Gesetzbuch – BGB) eröffnet ist.

Die Klausel unterfällt speziell § 308 Nr. 4 BGB (Leistungsänderungsklausel). Danach ist in einer AGB-Klausel die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen unwirksam, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist. Das BAG gelangt zu der Vorschrift, weil es die Klausel nicht als Wahlschuld (§ 262 BGB), sondern als gesetzlich nicht geregelte aber rechtlich anerkannte Ersetzungsbefugnis einordnet. Bei der streitgegenständlichen Klausel sei, so die Richter, bereits eine bestimmte Leistung vereinbart, nämlich die Zahlung einer Rente, ohne dass es zuvor der Ausübung eines Wahlrechts bedürfe. Dem Schuldner werde nur das Recht eingeräumt, die geschuldete Leistung mit schuldbefreiender Wirkung im Nachhinein durch eine andere zu ersetzen.

Die Rechtmäßigkeit der Klausel scheiterte letztlich (nur) an der Zumutbarkeit. Die Zumutbarkeit einer Leistungsänderungsklausel sei, so das BAG, zu bejahen, wenn die Interessen des Verwenders die für das jeweilige Geschäft typischen Interessen des anderen Vertragsteils überwiegen oder ihnen zumindest gleichwertig sind. Die Klausel ist hier unzumutbar, weil der Versorgungsempfänger mit der zu zahlenden Kapitalleistung eine hinter dem Barwert der zugesagten Altersrente zurückbleibende und damit geringwertige Leistung erhalten soll. Damit würde bereits erdientes Entgelt zumindest teilweise wieder entzogen.   

Was geht

Richtig gestaltet, sind einseitige Kapitalwahlrechtsklauseln für die Praxis also weiterhin verwendbar. Das BAG sieht solche Klauseln nicht grundsätzlich als unzulässig an, sondern macht konkrete Vorgaben zur Ausgestaltung.

Dabei ist in der Praxis der betrieblichen Altersversorgung im Regelfall zunächst eindeutig, wann eine Klausel als AGB einzuordnen ist. Dazu gehören jedenfalls vertragliche Einheitsregelungen und Gesamtzusagen. Dass einseitige Kapitalwahlrechtsklauseln als Ersetzungsbefugnis und damit als Leistungsänderungsklauseln der AGB-Kontrolle unterliegen, ist mit der BAG-Entscheidung für die künftige Praxis ebenfalls geklärt. Damit ist für den Bestand einer solchen Klausel entscheidend, ob sie für den Versorgungsberechtigten zumutbar ist. Das BAG hat dies an der Gleichwertigkeit der ursprünglich versprochenen Rente und der sie ersetzenden einmaligen Kapitalleistung festgemacht.

Es geht ersichtlich also um die Bestimmung der Höhe der einmaligen Kapitalleistung. Unzumutbar ist nach Ansicht des BAG eine einmalige Kapitalleistung, die hinter dem Barwert der zugesagten Altersrente zurückbleibt, sodass insoweit klar ist, dass die einmalige Kapitalleistung mindestens mit dem Barwert der versprochenen Altersrente zu bemessen ist.

Dazu, mit welchen Rechnungsannahmen der Barwert zu ermitteln ist, enthalten die BAG-Urteilsgründe keine Angaben, da dies nicht entscheidungserheblich war. Ohne dass dies mit absoluter Rechtssicherheit gesagt werden kann, kann doch vermutet werden, dass das BAG, hätte es dazu entscheiden müssen, sich auch insoweit an die Vorinstanz (LAG Düsseldorf, Urt. v. 06.04.2022 - 12 Sa 1068/21), dessen Entscheidung es vollumfänglich bestätigt hat, angelehnt hätte. Die LAG-Richter hatten sich an der gesetzlichen Wertung des § 3 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) orientiert. Andere Ermittlungsverfahren, wie bspw. § 6a Einkommensteuergesetz (EStG) oder das Abstellen auf die Vorschriften zum steuerlichen Reservepolster der Unterstützungskasse (§ 4d EStG), die zu niedrigeren Barwerten führen, wurden dagegen vom LAG verworfen. Interessant wird sein, ob die Urteilsgründe zur zweiten zu einer einseitigen Kapitalwahlrechtsklausel ergangenen Entscheidung (BAG, Urt. 17.01.2023 – 3 AZR 501/21) dazu konkrete Hinweise enthalten. Deren Veröffentlichung bleibt abzuwarten.  

Der BAG Entscheidung lässt sich im Übrigen nicht entnehmen, dass über den Barwert hinaus zur Kompensation von Nachteilen für den Versorgungsberechtigten (dazu gehört: Übertragung des Langlebigkeitsrisikos, steuerliche Nachteile und Verlust der Rentenanpassung) ein Zuschlag zu gewähren ist. Auch aus Sicht der Vorinstanz scheinen diese Nachteile hinnehmbar.

In der Fallkonstellation, dass im Rahmen einer Neuordnung eine Rentenanwartschaft durch eine Anwartschaft auf Kapitalleistung in einer – eine andere Betriebsvereinbarung ablösenden – Betriebsvereinbarung ersetzt wurde, hatte das BAG dagegen wegen der angesprochenen gleich gelagerten Nachteile für den Versorgungsempfänger eine eigenständige Rechtfertigung gefordert (s. Urt. v. 15.05.2012 - 3 AZR 11/10). Eine einmalige Kapitalleistung habe per se nicht dieselbe Wertigkeit wie eine laufende Rentenleistung, so die BAG-Richter. Die Nachteile könnten aber durch eine den Barwert der Rentenleistung übersteigende Kapitalleistung aufgewogen werden. Die Übertragbarkeit dieser Bewertung ist aber nicht zwingend, denn: Bei einer Neuordnung muss der Versorgungsberechtigte typischerweise nicht mit einer Änderung der Leistungsform rechnen. Anders ist dies im Fall einer einseitigen Kapitalwahlklausel, die von vornherein Teil der Zusage ist.

Folgen für die Praxis

Der Arbeitgeber kann sich nach unserem Dafürhalten nach wie vor in einer AGB-Klausel, also in Gesamtzusagen oder vertraglichen Einheitsregelungen, einseitig vorbehalten, anstatt der zugesagten Rente eine einmalige Kapitalleistung auszuzahlen, wenn die Kapitalleistung mindestens dem nach § 3 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 BetrAVG versicherungsmathematisch zu ermittelnden Barwert der zugesagten Rente entspricht.

Ob ein Zuschlag wegen bestehender Nachteile für den Versorgungsempfänger zu gewähren ist, kann derzeit nicht völlig rechtssicher beantwortet werden. Die oben beschriebene aktuelle Rechtsprechung fordert dies nicht. Wer absolut sichergehen will, sollte die Klausel um einen Passus zum Nachteilsausgleich ergänzen. 

Es kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die Wertung auch für Klauseln außerhalb des AGB-Rechts, also insbesondere für Betriebsvereinbarungen gültig ist. Zwar entfällt dann eine Inhaltskontrolle nach § 308 Nr. 4 BGB. Das ändert aber nichts daran, dass eine Ersetzungsbefugnis vorliegt, die auch hier zu einem nachträglichen Entzug von bereits erdientem Entgelt führen würde, wenn die Kapitalleistung geringer ist, als der Barwert der versprochenen Rente. Dies dürfte vor dem Hintergrund des § 75 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) auch in Betriebsvereinbarungen kaum Bestand haben.

Einseitige Kapitalwahlrechtsklauseln – Richtig gestaltet, sind sie in der Praxis weiter verwendbar.
Über den/die Autor:in(nen)
Gregor Hellkamp

Senior Consultant, Legal & Tax Consulting, Mercer Deutschland 

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