Hauptversammlung 2025: Worauf Unternehmen achten sollten 

Voting Note

Ein Interview mit den Mercer Corporate Governance Advisors Dr. Pia Lünstroth und Regine Siepmann 

Frau Siepmann, Frau Dr. Lünstroth, inwieweit beeinflussen die aktuellen politischen Entwicklungen die diesjährige Hauptversammlungssaison? Wird sie aus Ihrer Sicht turbulent?

Regine Siepmann: Unternehmen wie auch Investoren weltweit müssen mit den aktuellen Unsicherheiten leben, die das politische Umfeld derzeit bietet. Das ist keine leichte Aufgabe und wir werden mit Sicherheit entsprechende Diskussionen zu Zukunftsszenarien auf den Hauptversammlungen sehen. Dies betrifft die Corporate Governance aber eher nur am Rande.

Dr. Pia Lünstroth: Eine gut aufgestellte Unternehmensführung mit klaren Prinzipien in der Corporate Governance kann hier Sicherheit und Vertrauen vermitteln – und darauf kommt es ja schließlich an.

Welche spezifischen Corporate Governance-Themen sollten Unternehmen in der Vorbereitung der aktuellen Hauptversammlungssaison berücksichtigen?

Dr. Pia Lünstroth: Unternehmen sollten sich gezielt auf kritische Fragen zur Vergütung des Vorstands vorbereiten. Und zwar nicht nur zu den absoluten Vergütungshöhen, sondern auch zu den Vergütungssystemen.

Selbst dann, wenn diese nicht zur Abstimmung durch die Hauptversammlung stehen?

Dr. Pia Lünstroth: Ja, auch in diesem Fall. Insbesondere, wenn die Performance eines Unternehmens hinter den Erwartungen der Investoren zurück geblieben ist, wird genau auf den Pay for Performance-Zusammenhang geschaut. Zum Beispiel wird dann auch hinterfragt, wie die Zielsetzungen der variablen Vergütung zum Budget sowie zur Kapitalmarktkommunikation passen und warum diese gegebenenfalls unterhalb des Vorjahres liegen. Zudem wird auch kritisch betrachtet, ob die Kennzahlen der variablen Vergütung im Einklang mit der Unternehmensstrategie stehen und ob für die Berechnung der Vergütung Anpassungen an den berichteten Kennzahlen vorgenommen wurden.

„Vergütung ist und bleibt ein Dauerbrenner auf den Aktionärstreffen. Aber wir sehen vermehrt Fragen zur Zusammensetzung des Aufsichtsrats, zu dessen Kompetenzprofil, zur Qualifikationsmatrix wie auch zur Unabhängigkeit einzelner Mitglieder.“
Regine Siepmann, Partner 

Steht nur das Thema Vergütung im Fokus?

Regine Siepmann: Unsere Erfahrungen zeigen: Vergütung ist und bleibt ein Dauerbrenner auf den Agenden der Aktionärstreffen. Aber wir sehen in den zurückliegenden Jahren vermehrt Fragen zur Zusammensetzung des Aufsichtsrats, zu dessen Kompetenzprofil, zur Qualifikationsmatrix des Gremiums wie auch zur Unabhängigkeit einzelner Mitglieder.

Trauen Investoren den Angaben der Unternehmen nicht?

Regine Siepmann: Institutionelle Investoren hinterfragen die Selbsteinschätzung,  zum Beispiel zur Qualifikationsmatrix, wenn diese zu lückenlos ist. Aber auch die Selbsteinschätzung der Unabhängigkeit wird immer wieder kritisiert. Hier steht die Unabhängigkeit im Geiste des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds zum Teil im Widerspruch zu den konkreten Unabhängigkeitskriterien, die extern beobachtbar und nachprüfbar sind.

Welche besonderen Herausforderungen sehen Sie in der Kommunikation mit verschiedenen Investorengruppen auch international?

Dr. Pia Lünstroth: Institutionelle Investoren und Stimmrechtsberater wie ISS und Glass Lewis haben klare Erwartungen an Corporate Governance und Transparenz. Während europäische Investoren Nachhaltigkeitsthemen betonen, sind US Investoren hier zurückhaltender.

Regine Siepmann: Entscheidend ist in jedem Fall, dass Nachhaltigkeitsziele aus der Unternehmensstrategie und der Wesentlichkeitsanalyse abgeleitet sind. Dies ist in der Kapitalmarktkommunikation, nicht nur in der Hauptversammlung, zu betonen. 

Wie sollten Unternehmen sich auf kritische Aktionärsfragen oder -anträge vorbereiten?

Dr. Pia Lünstroth: Proaktive Investorengespräche sind entscheidend. Unternehmen sollten frühzeitig mit institutionellen Investoren das Gespräch suchen, insbesondere, wenn sie wissen, dass es bei bestimmten Themen zu Gegenwind kommen könnte – etwa bei Anpassungen am Vergütungssystem, Neuwahlen in den Aufsichtsrat oder strategischen Investitionsentscheidungen.

Regine Siepmann: Zudem sollten Vorstände und Aufsichtsräte gut auf kritische Fragen vorbereitet sein und transparente, faktenbasierte Antworten liefern. Ein detailliert vorbereiteter Fragenkatalog erleichtert in der Hektik der Hauptversammlung die Arbeit.

„Unternehmen sollten frühzeitig das Gespräch mit ihren Investoren suchen, vor allem, wenn sie wissen, dass es bei bestimmten Themen zu Gegenwind kommen könnte, etwa bei Anpassungen am Vergütungssystem, Neuwahlen in den Aufsichtsrat oder strategischen Investitionen.“
Dr. Pia Lünstroth, Executive Principal

Was ist Ihr wichtigster Rat für Unternehmen, um eine erfolgreiche Hauptversammlung zu gestalten?

Regine Siepmann: Lassen Sie sich als Unternehmen nicht überraschen. Ein frühzeitiger Dialog mit Investoren und transparente Kommunikation, unter anderem im Vergütungsbericht, erlauben es Investoren, Fragen gezielt zu stellen oder die gewünschte Information direkt zu erhalten. Zudem ist es wichtig, sich mit den Hauptkritikpunkten der letzten Hauptversammlungen auseinandersetzen und darauf einzugehen. So lässt sich das Vertrauen der Aktionäre langfristig stärken.

Frau Siepmann, Frau Dr. Lünstroth, vielen Dank! 

Über den/die Autor:in(nen)
Regine Siepmann

Partner, Head of Corporate Governance Advisory

Dr. Pia Lünstroth

Executive Principal, Corporate Governance Advisory

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