Ein neues Kapitel beginnt

Verschlechterung der betrieblichen Altersversorgung im Konzern  

06 Dezember 2024

Verschlechterung der bAV im Konzernsachverhalt und wie man es besser machen kann

Die Rechtmäßigkeit einer verschlechternden Änderung betrieblicher Versorgungswerke kann nach ständiger BAG-Rechtsprechung noch Jahrzehnte später infrage gestellt und gerichtlich überprüft werden. Die Überprüfung erfolgt dabei nach dem bekannten Drei-Stufen-Modell. Im Fokus steht dabei meist die Frage, ob ein nicht gerechtfertigter Eingriff in die noch nicht erdienten dienstzeitabhängigen Zuwächse (dritte Besitzstandsstufe) vorliegt. Das BAG ordnet in diesem Fall ein, wie das Drei-Stufen-Modell im Konzernsachverhalt anzuwenden ist. Darüber hinaus hat das beklagte Unternehmen für die Rechtfertigung des Eingriffs vor allem auf ein seinerzeit erstelltes versicherungsmathematisches Gutachten abgestellt, das einen starken Anstieg der Pensionsrückstellungen prognostizierte. Das BAG zeigt die Bedeutung solcher Gutachten im Rahmen der Rechtmäßigkeitsprüfung auf, aber auch, welche Fehler dabei vermieden werden sollten. 

Der Fall

Der konkrete Fall spielt vor dem Hintergrund der anhaltenden Stahlkrise in den 1980er Jahren. Der im August 1955 geborene Kläger war seit Oktober 1986 bei der H S-AG - einem Tochterunternehmen der H-AG - beschäftigt. Der Arbeitsvertrag enthielt u.a. eine Klausel zur Altersversorgung. Zu diesem Zeitpunkt galt eine Konzernbetriebsvereinbarung "Pensionsordnung der H Werke-AG vom 01.10.1977" (KBV PO 77). Zum 01.01.1987 trat durch weitere Konzernbetriebsvereinbarung eine geänderte Pensionsordnung in Kraft (KBV PO 87). Vom 01.07.1997 bis zum 31.12.1997 war der Kläger vorübergehend bei der H P-GmbH beschäftigt. Ende August 2020 trat er in den Ruhestand und bezieht seitdem von der Beklagten eine betriebliche Altersversorgung i.H.v. 180,76 € (brutto) monatlich.

Der Kläger hat geltend gemacht, seine betriebliche Altersversorgung sei ausschließlich nach der KBV PO 77 zu berechnen. Diese sei nicht wirksam durch die KBV PO 87 abgelöst worden. Ein außergewöhnlich hoher Rückstellungsbedarf könne die Ablösung nicht rechtfertigen. Das Gesamtkonzept zur Kosteneinsparung sei nicht erläutert worden, das Einsparvolumen durch die KBV PO 87 nicht schlüssig. Die Beklagte sei als Rechtsnachfolgerin der H S-AG passiv legitimiert. Sein Arbeitsvertrag vom 10.07.1986 sei nicht aufgehoben, sondern ab Januar 1998 bei der K H S-AG fortgeführt worden. Der Kläger forderte monatlich weitere 517,68 € inklusive Nachzahlung.

Das beklagte Unternehmen war der Ansicht, es sei verfehlt, den Wegfall oder die Begrenzung künftig erdienbarer Zuwächse vom Vorliegen sachlich-proportionaler Gründe abhängig zu machen. Solche Gründe hätten für die Ablösung der KBV PO 77 durch die KBV PO 87 vorgelegen. Hierfür sei eine konzerneinheitliche Betrachtung geboten. Nach den in Auftrag gegebenen Gutachten sei prognostiziert worden, dass sich die Pensionsrückstellungen bei Weiterführung der KBV PO 77 bis zum Jahr 2003 von 1,5 Milliarden auf 3,3 Milliarden DM erhöht hätten. Bei der Umstellung des Versorgungswerks auf die KBV PO 87 seien die Rückstellungen nach 20 Jahren um 1,6 Milliarden DM geringer ausgefallen. Der H-Konzern habe sich aufgrund der Stahlkrise in existentiellen wirtschaftlichen Schwierigkeiten befunden.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Auf die Revision des Klägers hat das BAG dann aber das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht (LAG) zurückverwiesen.

Entscheidung des BAG

Das BAG entschied, dass das LAG mit der gegebenen Begründung nicht annehmen durfte, die betriebliche Altersrente des Klägers sei nur für die Zeit vom 01.10.1986 bis 31. 12.1986 nach den Bestimmungen der KBV PO 77 zu berechnen, ab dem 01.01.1987 hingegen nach den Bestimmungen der KBV PO 87.

Das BAG führt zunächst aus, dass die KBV PO 77 zwar nach der für Betriebsvereinbarungen geltenden Zeitkollisionsregel grundsätzlich durch die gleichrangige KBV PO 87 abgelöst werden konnte. Nach dem vom BAG aus den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes entwickelten Drei-Stufen-Modell bedarf es bei der verschlechternden Neuregelung einer Versorgungsordnung jedoch unterschiedlich gewichtiger Gründe für eine Ablösung. Die Begründung des LAG reicht nach Meinung des BAG nicht aus, um einen - allein infrage kommenden - Eingriff in die dritte Besitzstandsstufe zu rechtfertigen.

Für eine Verschlechterung der Berechnungsgrundlagen für dienstzeitabhängige, noch nicht erdiente Zuwachsraten sind sachlich-proportionale Gründe erforderlich. Den Schutz der dritten Besitzstandsstufe rechtfertigt das BAG damit, dass bei einer verschlechternden Neuregelung die Versorgungsplanung der Arbeitnehmer negativ betroffen würde, die sie an den einmal versprochenen und zu erwartenden Steigerungen ausgerichtet hätten. Daran ändere es nichts, dass die Arbeitnehmer grundsätzlich mit einer auch verschlechternden Ablösung der auf einer Betriebsvereinbarung gründenden Versorgungsordnung rechnen müssen. 

Konzerneinheitliche Änderung versus Änderung nur für Konzernunternehmen

Der Konzernarbeitgeber kann, so die Richter, bei einer Änderung und Ablösung der konzerneinheitlichen Regelung erneut entscheiden, die Versorgung entweder konzernweit einheitlich abzuändern oder nur für einzelne Konzernunternehmen. Sollen, wie hier, konzerneinheitlich die Berechnungsgrundlagen für die künftigen Zuwächse verschlechtert werden, müssen hierfür deshalb auch konzernbezogene sachlich-proportionale Gründe vorliegen. Es genügen dafür weder auf ein konzernangehöriges Unternehmen bezogene Gründe, noch steht der Umstand, dass bei einem der konzernangehörigen Unternehmen isoliert betrachtet keine solchen Gründe vorliegen, einer konzernweit verschlechternden Regelung entgegen, wenn entsprechende Gründe bezogen auf den gesamten Konzern gegeben sind. 

Konzernbezogene sachlich-proportionale Gründe

Als sachlich-proportionale Gründe im Konzern kommen - entsprechend den Anforderungen auf Unternehmensebene - nachvollziehbare, anerkennenswerte Gründe in Betracht, die einen vernünftig handelnden Konzernarbeitgeber zu einer Verschlechterung der noch zu erdienenden Zuwächse der im Konzern beschäftigten Arbeitnehmer veranlassen können. Solche Gründe können sich aus einer bereits eingetretenen oder prognostizierten negativen wirtschaftlichen Entwicklung des Konzerns ergeben. Auch kann eine bereits eingetretene oder prognostizierte negative Entwicklung auch nur des Versorgungssystems aufgrund unvorhersehbarer Umstände einen sachlichen Grund darstellen. 

Bedeutung eines Gutachtens zur Entwicklung der Pensionsrückstellungen

Die Beklagte hatte die Rechtfertigung des Eingriffs vor allem auf das Gutachten zur prognostizierten Entwicklung der Pensionsrückstellungen für den Konzern gestützt, aus dem sich bei unveränderter Versorgung nahezu eine Verdopplung der Rückstellungslasten ergab.

Nach Ansicht des BAG erlauben gestiegene Pensionsrückstellungen dem Unternehmer zwar für sich genommen keinen Eingriff in die Versorgung, da sie nur dazu dienen, Gewinne bis zur Fälligkeit der einzelnen Rentenbeiträge als Betriebskapital zu verwenden (sog. Innenfinanzierung). Ein sachlicher Grund kann aber vorliegen, wenn sich die Pensionslasten und damit die Pensionsrückstellungen nach versicherungsmathematischen Grundsätzen erheblich erhöhen. Soweit diese Erhöhung nicht von Anfang an bei der Schaffung des Versorgungswerks absehbar oder einkalkuliert war, kann ein vernünftiger Unternehmer hierauf reagieren.

Das versicherungsmathematische Gutachten zur Entwicklung der Pensionsrückstellungen hat das BAG im Kontext mit der weiteren Begründung aber nicht als tragfähig angesehen. So sei offen geblieben welche „unmittelbaren oder mittelbaren“ Auswirkungen der Stahlkrise auf die H-AG das LAG zugrunde gelegt habe. Für die Annahme des LAG, die wirtschaftlichen Betroffenheit der H S-AG habe auf die Konzernmutter durchgeschlagen, hat es nicht als ausreichend angesehen, dass der Geschäftsbereich Stahl mehr als ein Drittel des Gesamtumsatzes der HAG ausgemacht und es sich bei der H S-AG um ein 100 %-iges Tochterunternehmen gehandelt hat. Die Umstände geben nach Meinung des BAG keinen Aufschluss zu konkreten Auswirkungen. Diese Unklarheit werde dadurch noch verstärkt, dass das LAG in diesem Kontext allein die prognostizierte Entwicklung bei den sog. Pensionsrückstellungen als „ausschlaggebend“ angesehen habe. Auch das Gutachten selbst sei inhaltlich nicht ausreichend: Insbesondere bleibe unklar, ob tatsächlich Rückstellungen oder steigende Versorgungslasten gemeint sind. Auch sei nicht festgestellt worden, worauf der prognostizierte starke Anstieg der Rückstellungen zurückzuführen war. Dem in Bezug genommenen Gutachten ließen sich nur dessen Ergebnisse entnehmen, ohne dass diese erläutert würden.

Mängel bei der Begründung des LAG werden auch bei der Prüfung der Proportionalität der Einsparungen gesehen: Es fehle eine nachvollziehbare Würdigung dazu, inwiefern sich diese in ein plausibles Konzept zur Beseitigung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten einfügten. Hierfür genüge nicht der Hinweis, mit Blick auf den bei der H S-AG geplanten Stellenabbau fehle es an einem Sonderopfer der künftigen Betriebsrentner.     

Geringerer Vertrauensschutz bei Verschlechterung kurze Zeit nach Diensteintritt?  

Der Kläger war erst wenige Monate beim Unternehmen beschäftigt, als es zu der verschlechternden Änderung des Versorgungswerks kam. Die Beklagte hat geltend gemacht, der Kläger sei zu einer Zeit eingestellt worden, als bereits Verhandlungen über eine Neuregelung des Versorgungssystems schwebten. Der Kläger hat dagegen behauptet, ihm sei versichert worden, dies würde für ihn bei einem Vertragsschluss im Jahr 1986 keine Auswirkungen haben. Das Gericht lässt erkennen, dass es diesem Aspekt zwar Bedeutung beimisst. Er wurde aber aus Beweislast- und Verfahrensgründen letztlich nicht zugunsten der Beklagten berücksichtigt.

Folgen für die Praxis

Wird eine Versorgungsregelung zur betrieblichen Altersversorgung verschlechternd abgelöst, kann damit für einen langen Zeitraum Rechtsunsicherheit einhergehen. Das BAG nimmt dies bewusst in Kauf. So führt es ausdrücklich aus: „Der Umstand, dass im Streit mit dem einzelnen Arbeitnehmer darüber, ob eine Ablösung wirksam erfolgt ist, der Arbeitgeber ggf. noch Jahrzehnte später darlegen muss, welche Gründe es für die Ablösung gab, vermag entgegen der Ansicht der Beklagten kein Absehen von den Anforderungen zu begründen. In der betrieblichen Altersversorgung erstrecken sich die relevanten Sachverhalte typischerweise auf beträchtliche zurückliegende Zeiträume.“ Um dem zu begegnen, bleibt für die Praxis wichtig, die Beweggründe und die tatsächlichen Umstände, die zu einer Verschlechterung führen sorgfältig und für den möglichen späteren Streitfall abrufbar zu dokumentieren.

Die vorliegende Entscheidung macht dabei folgende Aspekte deutlich:

Wird die abzulösende betriebliche Altersversorgung durch eine Konzernbetriebsvereinbarung geregelt, ist zunächst zu entscheiden, ob der Eingriff konzernweit oder nur für das einzelne Konzernunternehmen erfolgen soll. Soll der Eingriff, wie hier, konzernweit durch Konzernbetriebsvereinbarung erfolgen, muss der einzelne Vertragsarbeitgeber und Versorgungsschuldner für die Eingriffsprüfung die Gründe bzw. die negative Entwicklung des Konzerns substantiiert dartun. Dabei kann es vorteilhaft sein, dass bezogen auf den einzelnen Vertragsarbeitgeber isoliert gesehen keine Eingriffsgründe vorliegen müssen. Die Rechtfertigungsprüfung hat aber konsequent auf Konzernebene zu erfolgen. Es müssen demnach konzernbezogene sachlich-proportionale Gründe vorliegen.

Auch wenn ein versicherungsmathematisches Gutachten zur Entwicklung der Pensionsrückstellungen allein den Arbeitgeber in der Regel nicht in die Lage versetzt, eine Klage abzuwehren, ist es zweckmäßig, ein solches zu erstellen. Einem solchen Gutachten kann u.E. eine entscheidende Bedeutung zu kommen. Dies gilt vor allem, wenn sich die Pensionsrückstellungen, wie in diesem Fall, erheblich erhöhen. Die im Fall aufgezeigten Fehler sollten gleichwohl vermieden werden. Was man besser machen kann: Inhaltlich sollte kein Zweifel darüber bestehen, ob tatsächlich Rückstellungen oder steigende Versorgungslasten gemeint sind. Die Ergebnisse des Gutachtens sollten erläutert werden, damit deutlich wird, worauf ein prognostizierter Anstieg der Rückstellungen zurückzuführen ist. Idealerweise lassen sich aus dem Gutachten auch bereits konkrete konzernweite Auswirkungen bspw. auf die Leistungsfähigkeit des Konzerns ableiten. Ergebniszahlen allein, auch wenn sie einen starken Anstieg der Pensionsrückstellungen aufzeigen, genügen hingegen nicht. Pauschale Aussagen und Schlussfolgerungen die an Wortwendungen wie „liegt auf der Hand“ o.ä. erkennbar sind, sollten grundsätzlich vermieden werden.  

Hervorzuheben ist, dass im Rahmen der Proportionalitätsprüfung darzulegen ist, inwiefern sich die geplanten Einsparungen bei der betrieblichen Altersversorgung in ein plausibles Gesamtkonzept zur Beseitigung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten einfügen. Auch hierbei kann ein versicherungsmathematisches Gutachten einen wichtigen Beitrag leisten, indem es die Einsparungen in Bezug auf die betriebliche Altersversorgung darstellt. Hinzuweisen ist darauf, dass beim Gesamtkonzept und der Proportionalitätsprüfung der Konzern und der Konzernbetriebsrat bereits nach ständiger BAG-Rechtsprechung eine Einschätzungsprärogative haben. Die Geeignetheit und Erforderlichkeit der Maßnahmen im Einzelnen sind einer gerichtlichen Überprüfung daher nicht zugänglich. Das Gericht darf daher nicht einzelne Maßnahmen dahingehend bewerten, ob nicht u.U. andere Maßnahmen noch geeigneter wären. Die Darstellung eines Gesamtkonzepts erfordert aber, dass die einzelnen Maßnahmen in einen Gesamtzusammenhang gebracht werden und sich die Darstellung nicht darauf beschränkt, die Einsparung bei der bAV losgelöst neben die anderen Einsparmaßnahmen zu stellen.

Im Übrigen hat das BAG darauf hingewiesen, dass im vorliegenden Fall auch die von der Beklagten thematisierte Fehlentwicklung des Versorgungssystems infrage kommt, was das LAG verkannt habe. Außerdem hatte sich die Beklagte auf geänderte Gerechtigkeitsvorstellungen der (Konzern-) Betriebsparteien zur Funktion der betrieblichen Altersversorgung berufen, was das LAG ebenfalls nicht ausreichend in den Blick genommen habe. Es erscheint daher nicht völlig ausgeschlossen, dass das LAG trotz der Zurückverweisung noch zugunsten des Arbeitgebers entscheiden könnte.

Abschließend ist anzumerken, dass in der besonderen Situation, dass eine verschlechternde Änderung der betrieblichen Altersversorgung zum Zeitpunkt des Diensteintritts schon geplant ist, es grundsätzlich zu empfehlen ist, dies im Einzelfall aktenkundig zu machen und im Rahmen der arbeitsvertraglichen Regelungen die Kenntnisnahme des Arbeitnehmers zu protokollieren. Das BAG hat zu erkennen gegeben, dass es den Vertrauensschutz im Hinblick auf die Verschlechterung ggf. vollständig entfallen lässt, wenn dies nachgewiesen werden kann.

Über den/die Autor:in(nen)
Gregor Hellkamp

Senior Consultant, Legal & Tax Consulting, Mercer Deutschland

Related Solutions
    Related Insights
      Curated