BAG bestätigt Rechtsprechung zur Einstandspflicht des Arbeitgebers bei Pensionskassenzusagen
04 Juli 2023
Anhand einer aktuellen Entscheidung des BAG wird beschrieben, welche Wirkung die Sanierungsklausel einer Pensionskassensatzung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer entfaltet und was dies für den Arbeitgeber im Rahmen der Subsidiärhaftung bedeutet.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte in seinem am 14.6.2023 veröffentlichten Urteil (BAG 14.3.2023 – 3 AZR 197/22) u. a. darüber zu entscheiden, ob eine Verweisung auf die Satzung einer Pensionskasse – und damit auch auf eine Sanierungsklausel – ein akzessorisches Recht des Arbeitgebers zur Kürzung laufender Leistungen der betrieblichen Altersversorgung begründen kann. Dies verneinte der Dritte Senat und bestätigte im Zuge dessen seine Rechtsprechung zur Einstandspflicht des Arbeitgebers bei Pensionskassenzusagen.
Sachverhalt
Die 1950 geborene Klägerin war für die an die Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) gebundene beklagte Dienstgeberin bzw. deren Rechtsvorgängerinnen langjährig beruflich tätig. Anfang 1998 schlossen die Parteien anlässlich des letzten Betriebsübergangs einen Dienstvertrag. Die Beklagte hatte in den Dienstvertrag aufgenommen, dass eine Zusatzversorgung nach Anlage 8 Versorgungsordnung B (VersO B) der AVR erfolgt. Auch sonst wurden die AVR in Bezug genommen. § 2 Abs. 2 der VersO B verwies auf die Satzung der „Selbsthilfe Zusatzrentenkasse der Caritas VVaG“ (später „Pensionskasse der Caritas VVaG“, nachfolgend Pensionskasse).
Die Satzung der Pensionskasse enthält in § 19 Nr. 5 folgende Regelung:
„Weist die versicherungstechnische Bilanz einen Fehlbetrag aus, so ist dieser zu Lasten der Verlustrücklage und danach der Rückstellung für Beitragsrückerstattung (RfB) auszugleichen. Wenn die Verlustrücklage und die RfB hierfür nicht ausreichen, sind zur Deckung des verbleibenden Fehlbetrages durch Beschluss der Vertreterversammlung aufgrund von Vorschlägen des Verantwortlichen Aktuars die Beiträge der Mitglieder zu erhöhen oder die Beitragszahlungsdauer zu verlängern oder Versicherungsleistungen herabzusetzen oder Änderungen der genannten Art gleichzeitig vorzunehmen. Alle Maßnahmen zur Beseitigung von Fehbeträgen haben auch für bestehende Versicherungsverhältnisse Wirkung und bedürfen für die von der Aufsichtsbehörde, für die nicht genehmigten Tarife der Zustimmung des nach § 142 VAG erforderlichen Treuhänders. Eine Erhebung von Nachschüssen ist ausgeschlossen.“
Die Beklagte meldete die Klägerin bei der Pensionskasse an und führte die in der AVR festgelegten Beiträge ab. Zum 1.1.2014 trat die Klägerin in den Ruhestand. Im September 2019 teilte die Pensionskasse der Klägerin mit, dass sich ihre monatlichen Rentenansprüche verringerten. Nach Absenkung der Renten durch die Pensionskasse verlangte die Klägerin von der Beklagten den durch die Absenkung entfallenen Rentendifferenzbetrag.
Die Klägerin argumentierte mit der Einstandspflicht des Dienstgebers nach § 1 Abs. 1 Satz 3 Betriebsrentengesetz (BetrAVG), nach der der Arbeitgeber für die Erfüllung der von ihm zugesagten Leistungen auch dann einzustehen habe, wenn die Durchführung der betrieblichen Altersversorgung nicht unmittelbar über ihn erfolge.
Die Beklagte beantragte Klageabweisung und vertrat die Rechtsauffassung, dass sich die Ansprüche der Versicherten gem. § 2 Satz 2 VersO B nach der Satzung der Pensionskasse richteten und somit von vorneherein Leistungen nur in diesem Umfang zugesagt seien. Die Wertungen des Art. 12 Abs. 1 GG erforderten deutlichere vertragliche Anhaltspunkte für einen weitergehenden Verpflichtungswillen. Die Vorinstanzen gaben der Klage statt, mit ihrer Revision verfolgte die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidung
Das BAG entschied zugunsten der Klägerin und wies die Revision der Beklagten als unbegründet zurück. Die Beklagte habe nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG für die Leistungskürzungen der Pensionskasse einzustehen.
Einstandspflicht nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG auch bei Pensionskassen
Nach den Ausführungen des Gerichts stelle § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG klar, dass im Betriebsrentenrecht stets zwischen der arbeitsrechtlichen Grundverpflichtung und den Durchführungswegen zu unterscheiden sei. Dies entspräche der ständigen Senatsrechtsprechung, wonach der eingeschaltete externe Versorgungsträger seiner Funktion nach nur ein Instrument des Arbeitgebers zur Erfüllung seiner arbeitsrechtlichen Versorgungsverpflichtungen sei. Werde die geschuldete Versorgung nicht auf dem vorgesehenen Durchführungsweg erbracht, habe der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Versorgungsfall erforderlichenfalls unmittelbar aus seinem eigenen Vermögen die Versorgungsleistungen zu verschaffen, die er dem Arbeitnehmer versprochen habe. Die Einstandspflicht des Arbeitgebers nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG führe damit nicht zu verschuldensabhängigem Schadensersatz, sondern zu verschuldensunabhängigen Erfüllungsansprüchen der versorgungsberechtigten Arbeitnehmer.
Die Einstandspflicht bzw. der Verschaffungsanspruch, so der Dritte Senat weiter, seien darauf gerichtet, die Lücke zu schließen, die sich zwischen der Versorgungszusage einerseits und dem Durchführungsweg andererseits ergeben kann. Sie beträfe Fälle, in denen die für die Durchführung der Versorgungszusage getroffene Regelung hinter den Verpflichtungen des Arbeitgebers zurückbleibt oder der externe Versorgungsträger die Betriebsrentenansprüche aus anderen Gründen nicht erfüllt. Durch die Einstandspflicht nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG werde sichergestellt, dass bei Schwierigkeiten im Durchführungsweg im Versorgungsfall gleichwohl der Versorgungszusage entsprechende Leistungen erbracht werden.
Schließlich stellte das BAG fest, dass die Einstandspflicht nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG auch dann gelte, wenn die vom Arbeitgeber zugesagten Leistungen betrieblicher Altersversorgung über eine Pensionskasse durchgeführt werden.
Reine Beitragszusage oder beitragsorientierte Leistungszusage
Nach Ansicht des Gerichts habe die Beklagte der Klägerin Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zugesagt, was sich aus der Auslegung der dynamischen Verweisung in §§ 2, 5 des Dienstvertrags auf die AVR, deren Anlage 1 Abschnitt XIII und Anlage 8 sowie die VersO B ergebe. Eine reine Beitragszusage außerhalb von § 1 Abs. 2 Nr. 2a, §§ 21 ff. BetrAVG – so die Argumentation der Beklagten – sei rechtlich zwar grundsätzlich möglich, läge hier jedoch nicht vor. Denn der Umstand, dass die Versorgung durch Anmeldung der Mitarbeiter bei der Pensionskasse und Entrichtung von Versicherungsbeiträgen erreicht werden soll, deute entgegen der Auffassung der Beklagten für sich genommen nicht auf eine reine Beitragszusage hin, sondern sei gerade typischer Inhalt einer beitragsorientierten Leistungszusage nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG bei Durchführung über eine Pensionskasse.
Keine Einschränkung der Einstandspflicht
Nach Auffassung des Senats könne sich die Beklagte auch nicht darauf berufen, die Einstandspflicht sei aufgrund des Verweises auf die Satzung der Pensionskasse eingeschränkt. Die der Klägerin erteilte Versorgungszusage umfasse nicht lediglich die Erbringung von nach § 19 Nr. 5 der Satzung der Pensionskasse herabgesetzten Leistungen. Die in der Satzungsbestimmung vorgesehene Möglichkeit der Leistungskürzung sei nicht Bestandteil der der Klägerin im arbeitsrechtlichen Grundverhältnis erteilten Versorgungszusage, sondern regele nur, ob und in welchem Umfang die Pensionskasse zu einer Abweichung von den ursprünglich für das Durchführungsverhältnis getroffenen Abreden befugt sei.
Die Bezugnahme auf die Satzung im Dienstvertrag i. V. m. § 2 Abs. 2 VersO B erstrecke sich nicht auf Satzungsbestimmungen, die ausschließlich den Durchführungsweg, also die Frage betreffen, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang die Pensionskasse von den ursprünglich getroffenen Abreden abweichen darf. Hierzu gehören nach Auffassung des Gerichts insbesondere sog. Sanierungsklauseln, wie § 19 Nr. 5 der Satzung. Diese dienten allein dazu, den Zusammenbruch der Pensionskasse zu verhindern und enthielten daher keine Einschränkung des versicherten Garantieversprechens.
Von der Einstandspflicht könne sich ein Arbeitgeber – wie sich aus § 19 Abs. 3 BetrAVG ergebe – auch nicht durch vertragliche Abreden zulasten der Arbeitnehmer befreien. Die dynamische Verweisung auf die Satzung der Pensionskasse könne deshalb kein akzessorisches Recht der Beklagten zur Kürzung laufender Leistungen der betrieblichen Altersversorgung begründen.
Die von der Beklagten eingewandten verfassungsrechtlichen Erwägungen im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG führten zu keiner abweichenden Auslegung des Dienstvertrags und der in Bezug genommenen Anlage 8 zu den AVR durch den Senat.
Folgen für die Praxis
Arbeitgeber können die in § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG normierte Einstandspflicht nicht durch dynamischen Verweis auf Sanierungsklauseln in Pensionskassensatzungen einschränken. Eine Zusage auf betriebliche Altersversorgung im Durchführungsweg Pensionskasse hat damit grds. die Erfüllung dieser versprochenen Leistungen zur Folge. Arbeitgeber sollten daher genau prüfen, welche Regelungen im Umfeld des externen Versorgungsträgers dem arbeitsrechtlichen Grundverhältnis (bspw. Höhe und Fälligkeit der Leistung) bzw. dem Durchführungsweg (bspw. Sanierungsklauseln) zuzuordnen sind, um den sie treffenden Haftungsrahmen zu ermitteln.