Entgeltumwandlung: Nicht alles ist pfändbar
22 Februar 2022
Mit seiner Entscheidung vom 14.10.2021 (8 AZR 96/20) stellt das Bundesarbeitsgericht (BAG) klar, dass Versicherungsprämien, die im Wege der Umwandlung von künftigen Entgeltansprüchen in Anwartschaften auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung im Durchführungsweg der Direktversicherung erbracht werden, kein pfändbares Arbeitseinkommen sind.
Wird die Entgeltumwandlung erstmals nach einem bestehenden und bereits zugestellten Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vereinbart, sind die zu zahlenden Versicherungsprämien ebenfalls kein pfändbares Arbeitseinkommen, wenn der Arbeitnehmer sein gesetzliches Recht auf Entgeltumwandlung gemäß § 1a Abs. 1 Satz 1 BetrAVG geltend macht. Wobei der Entgeltumwandlungsbetrag die Höchstgrenze des § 1a Abs. 1 Satz 1 BetrAVG nicht überschreiten darf.
Auch sieht das BAG in einer Entgeltumwandlungsvereinbarung, die zeitlich erst nach Zustellung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gemäß § 1a Abs. 1 Satz 1 BetrAVG vereinbart wird, keine den Gläubiger benachteiligende Verfügung im Sinne des § 829 Abs. 1 Satz 2 ZPO.
Das BAG bestätigt mit dieser Entscheidung seine bisherige Rechtsprechung, wonach Prämien zu einer mittels Entgeltumwandlung finanzierten Direktversicherung nicht als pfändbares Arbeitseinkommen im Sinne des § 850 Abs. 2 ZPO zu bewerten sind (BAG-Urteil vom 17.02.1998 – 3 AZR 611/97). Gleichzeitig hat das BAG seine Rechtsprechung unter Berücksichtigung des zwischenzeitlich eingeführten gesetzlichen Entgeltumwandlungsanspruchs gemäß § 1a Abs. 1 Satz 1 BetrAVG weiterentwickelt.
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Strittig in diesem, dem BAG zur Entscheidung vorliegenden Fall war, ob die monatlich vom Arbeitgeber (hier der Beklagten) aufgrund einer Entgeltumwandlungsvereinbarung seiner Arbeitnehmerin (hier der Streitverkündeten) an eine Direktversicherung zu zahlende Prämie zum pfändbaren Arbeitseinkommen der Arbeitnehmerin gehören oder nicht, § 850 Abs. 2 ZPO.
Kläger in diesem Verfahren ist der geschiedene Ehemann der Streitverkündeten. Im Laufe des Scheidungsverfahrens der Parteien wurde die Streitverkündete dazu verpflichtet, an den Kläger eine größere Geldsumme zu zahlen. Dieser Verpflichtung ist sie nicht nachgekommen, sodass der Kläger aufgrund eines ergangenen Versäumnisbeschlusses gegen die Streitverkündete einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss über ihr gegenwärtiges und zukünftiges Arbeitseinkommen erwirkte. Auf Grundlage des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses leistete die Beklagte Zahlungen an den Kläger.
Die Streitverkündete und die Beklagte schlossen im laufenden Pfändungsverfahren eine Entgeltumwandlungsvereinbarung gemäß § 1a Abs. 1 Satz 1 BetrAVG zugunsten einer Direktversicherung, was dazu führte, dass die Beklagte die Zahlungen an den Kläger entsprechend kürzte.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger von der Beklagten ungekürzte Zahlungen und vertritt die Auffassung, dass eine Entgeltumwandlung der Streitverkündeten das pfändbare Arbeitseinkommen nicht reduziere. Ein vorliegender Pfändungs- und Überweisungsbeschluss führe dazu, dass die Streitverkündete nicht mehr über ihr Arbeitseinkommen bzw. dessen Verwertung bestimmen könne.
In den Vorinstanzen hatte das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hatte der Klage hingegen teilweise stattgegeben. Durch die Revision begehrte die Beklagte die vollständige Klageabweisung.
Die Beklagte war mit ihrer Revision vor dem BAG erfolgreich, da das BAG die Klage abgewiesen hat. Das BAG folgt der Rechtsauffassung der Beklagten und Revisionsklägerin, dass bei Abschluss einer Direktversicherung zugunsten von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung durch Umwandlung von künftigen Entgeltansprüchen eines Arbeitnehmers gemäß § 1a Abs. 1 Satz 1 BetrAVG grundsätzlich kein pfändbares Arbeitseinkommen im Sinne von § 850 Abs. 2 ZPO mehr vorliege.
Der Umstand, dass vorliegend die Entgeltumwandlungsvereinbarung erst nach Zugang des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses getroffen wurde, ändert nichts an der Auffassung des BAG.
Dem Arbeitnehmer stehe aufgrund der gesetzlichen Regelung des § 1a Abs. 1 Satz 1 BetrAVG ein unabdingbarer Anspruch auf Entgeltumwandlung in Höhe von bis zu 4% der BBG zu. Dieser gesetzlich vorgegebene Höchstbetrag wurde hier nicht überschritten, so dass eine Nichtigkeit oder Unwirksamkeit der Entgeltumwandlungsvereinbarung gerade nicht gegeben war. Eine den Gläubiger benachteiligende Verfügung im Sinne des § 829 Abs. 1 Satz 2 ZPO konnte ebenfalls nicht erkannt werden. In dem Abschluss der Umwandlungsvereinbarung lag damit auch kein Verstoß gegen die guten Sitten vor. Die gesetzgeberische Entscheidung steht zudem der Einstufung der Entgeltumwandlung als missbräuchliche Lohnverschiebung entsprechend § 850h Abs. 1 ZPO entgegen, da eine Entgeltumwandlung zum endgültigen Untergang des Anspruchs auf Bargeldauszahlung führt und diesen Anspruch durch eine Versorgungsanwartschaft ersetzt.
Sofern sich der Schuldner jedoch durch eine Entgeltumwandlung seiner Unterhaltspflicht gegenüber seinen Kindern vorsätzlich entziehen will, ist eine andere Bewertung denkbar.
Offengelassen wurde vom BAG zudem eine Beurteilung der Rechtslage für den Fall, dass die Entgeltumwandlung den Höchstbetrag des § 1a Abs. 1 Satz 1 BetrAVG übersteigt.
Ist diese Entscheidung des BAG für alle Arbeitgeber zu beachten?
Aufgrund des gesetzlichen Entgeltumwandlungsanspruchs gemäß § 1a Abs. 1 Satz 1 BetrAVG müssen Arbeitgeber eine Entgeltumwandlung ermöglichen und der Entgeltumwandlungsbetrag ist nicht als pfändbares Arbeitseinkommen zu berücksichtigen. Gemäß § 17 Abs. 1 BetrAVG sind Arbeitnehmer im Sinne von § 1a Abs. 1 BetrAVG jedoch immer nur Arbeitnehmer, die aufgrund ihrer Beschäftigung beim Arbeitgeber in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert sind. Versicherungsprämien die aufgrund einer Umwandlung an eine für den Arbeitnehmer abgeschlossene Direktversicherung durch den Arbeitgeber abgeführt werden müssen, sind damit nicht pfändbar. Entsprechendes wird auch für Beiträge gelten, die an andere externe Versorgungsträger, wie Pensionskassen, Pensionsfonds oder Unterstützungskassen geleistet werden. Arbeitgeber können den Entgeltumwandlungsbetrag auch dann nicht dem pfändbaren Arbeitseinkommen zurechnen, wenn die Entgeltumwandlungsvereinbarung im Rahmen des gesetzlichen Umwandlungsanspruchs gemäß § 1a Abs. 1 Satz 1 BetrAVG erstmals nach Zustellung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses abgeschlossen und der durch § 1a Abs. 1 Satz 1 BetrAVG vorgegebene Höchstbetrag (im Jahr 2022 € 3.384 p.a.) nicht überschritten wird.
Gläubiger werden aufgrund dieser Rechtsprechung auf den umgewandelten Vermögensbestandteil erst dann zugreifen können, wenn es aufgrund des Eintritts eines Leistungsfalls zur Auszahlung der Versorgungsleistung kommt. Dies setzt allerdings einen entsprechenden – neuen – Pfändungs- und Überweisungsbeschluss voraus. Ein Zugriff auf den Umwandlungsbetrag und damit auf die Versicherungsprämie als solche ist jedoch nicht möglich.
Darüber hinaus dürfen Arbeitnehmer, deren Arbeitseinkommen einer Pfändung unterliegt, nicht von der Teilnahme an einem durch Entgeltumwandlung finanzierten Versorgungswerk ausgeschlossen werden. Dies ist auch nicht durch eine vertragliche Vorgabe seitens der Arbeitgeber abdingbar. Daraus folgt, dass alle Arbeitnehmer, auch diejenigen, deren Arbeitseinkommen gepfändet wird, so zu behandeln sind, als läge keine Pfändung vor. Zumindest gilt dies bei einer Umwandlung bis max. des durch § 1a Abs. 1 Satz 1 BetrAVG definierten Höchstbetrages.
Einer weiteren Einzelfallprüfung wird man das Entgeltumwandlungsverlangen der Arbeitnehmer unterziehen müssen, die gegenüber ihren Kindern unterhaltspflichtig sind und aufgrund einer Umwandlung sich diesen Pflichten entziehen wollen, da hierin durchaus ein sittenwidriges Handeln gesehen werden kann, das die Nichtigkeit der Entgeltumwandlungsvereinbarung zur Folge hätte.
Welche Folgeprobleme ergeben sich?
Sofern die mittels Entgeltumwandlung finanzierten Beiträge zu einem externen Versorgungsträger vom Arbeitgeber bisher als pfändbares Einkommen behandelt werden, ist diese Vorgehensweise nunmehr abzustellen. Für Entgeltumwandlungsvereinbarungen, die erst nach der Zustellung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vereinbart werden, gilt dies ebenfalls, zumindest dann, wenn der Entgeltumwandlungsbetrag den Höchstbetrag des § 1a Abs. 1 Satz 1 BetrAVG nicht übersteigt. Sofern der Entgeltumwandlungsbetrag diesen Höchstbetrag übersteigen sollte, ist vom BAG bisher nicht entschieden worden, wie zu verfahren ist.
Außerdem gibt die Entscheidung des BAG Anlass zur Prüfung, ob bislang Arbeitnehmer aufgrund der Pfändung ihres Arbeitseinkommens zu Unrecht von der Teilnahme an einem mittels Entgeltumwandlung finanzierten Versorgungswerkes ausgeschlossen wurden.
Besteht in einem Versorgungswerk des Arbeitgebers die Möglichkeit, Entgeltumwandlungen oberhalb des Höchstbetrages des § 1a Abs. 1 Satz 1 BetrAVG vorzunehmen, sollten Arbeitgeber im Rahmen ihrer Informationspflichten diejenigen Arbeitnehmer, deren Arbeitseinkommen bereits gepfändet wurde, auf die möglichen Folgen einer den Höchstbetrag übersteigenden Entgeltumwandlung hinweisen.