Personalplanung und Skill-Management als zentrale Herausforderungen: Nur 12 Prozent der Unternehmen wissen, was ihre Mitarbeitende können
1. Februar 2023
Germany, Frankfurt
- Personalveranwortliche in der DACH-Region sehen sich 2023 mit neuen Krisen konfrontiert – der Fachkräftemangel bleibt aber
- Arbeitgeber sind noch unsicher, wie sie auf die gestiegene Inflation reagieren sollen
- Hälfte der Unternehmen möchte angesichts der veränderten Präferenzen und Arbeitsweisen ihre Employer Brand überarbeiten
- Personalverantwortliche fordern einen Platz am Vorstandstisch
Der erfolgsentscheidende Faktor für 60 Prozent der Personalverantwortlichen für 2023 ist die Ausrichtung auf eine skill-basierte Organisation, gefolgt von der Entwicklung der Unternehmenskultur (59 Prozent) und die Anpassung der Arbeitsweise z. B. an remote oder hybride Rahmenbedingungen (58 Prozent). Das geht aus der Mercer-Studie „Global Talent Trends 2022/2023“ hervor. Allerdings sehen sich aktuell nur zwölf Prozent der Befragten in der Lage, bewerten zu können, welche Skills sie in ihrer Organisation haben und darauf aufbauend zu unterscheiden, welche Skills entwickelbar sind und welche extern beschafft werden müssen.
Konsequenterweise sind die Themen, in denen die Personalmanager:innen in der DACH-Region den Schwerpunkt der Investitionen für 2023 sehen, die Optimierung von Prozessen rund um Skills (52 Prozent), die Verbesserung der Employee Experience für wichtige Zielgruppen (51 Prozent) und die Neuausrichtung der Employer Brand (50 Prozent). „Ebenso sollten durch den gestiegenen Druck durch die hohe Inflation Philosophien und Modelle zur Vergütung neu gedacht und die Workforceplanung verbessert werden, damit Talent-Strategien besser umgesetzt und beispielsweise Recruiting sowie Up- und Reskilling-Instrumente bestmöglich aufgesetzt werden können“, erklärt Michael Eger, Partner HR Transformation, Mercer Central Europe.
Insgesamt setzen sich die fünf Trends aus dem Jahr 2022 weiter fort – wenn auch teilweise mit anderen Akzenten.
Relevanz und Haltung der Unternehmen
Partnerschaftliche Zusammenarbeit
Eine Aussage der Global Talent Trends 2022 war, dass die Pandemie neue Präferenzen bei den Mitarbeitenden geschaffen und Trends beschleunigt hat, z. B. den Wunsch nach mehr Flexibilität sowie nach Unterstützung bei der Bewältigung von gesundheitlichen Schwierigkeiten. Als Schlussfolgerung ließ sich ableiten, dass die Unternehmen erfolgreich bei der Gewinnung und Bindung ihrer Talente sind, die sich aktiv auf die veränderten Rahmenbedingungen einlassen und neue Lösungen gemeinsam mit und für die Mitarbeitenden entwickeln. Zusammenarbeit auf Augenhöhe ist dabei ein besonders wichtiger Aspekt, da Mitarbeitende ihr Verhältnis zum Arbeitgeber nicht mehr als Abhängigkeit sehen, sondern als echte Zusammenarbeit gleichgestellter Geschäftspartner:innen.
Die Ergebnisse 2023 legen den Schluss nahe, dass bei der tatsächlichen Umsetzung dieser neuen Partnerschaft noch Unsicherheit herrscht bzw. unterschiedliche Akzente gesetzt werden. Aktuell dominiert eher die Justierung der Zusammenarbeit als die tatsächliche partnerschaftliche Neuentwicklung von Arbeitsweisen und Angeboten.
Zwar gibt zumindest jeweils rund ein Drittel der befragten Unternehmen in der DACH-Region an, dass neue Guidelines erarbeitet wurden, um die Effektivität der Zusammenarbeit zu erhöhen und dass Führungskräfte hinsichtlich inklusiverer und gerechterer Team-Set-ups geschult wurden (jeweils 32 Prozent). Lediglich 17 bzw. 16 Prozent der befragten Unternehmen geben jedoch an, dass zielgruppenspezifische Persona-Konzepte genutzt werden bzw. dass Mitarbeitende aus unterschiedlichen Personagruppen bei der Entwicklung und Neugestaltung der Arbeit eingebunden wurden. Nahezu ein Drittel (31 Prozent) der Befragten sagt, dass sie die Partnerschaft nicht neu definiert haben.
Bedingt durch den deutlichen Anstieg der Inflation kommt den Komponenten Gehalt und Benefits wieder eine größere Bedeutung zu. Beim Umgang mit den Instrumenten zeigt sich jedoch kein einheitliches Bild. In der DACH-Region geben 35 Prozent der HR-Manager:innen an, dass sie die Inflation mit Bonuszahlungen statt langfristigen Gehaltserhöhungen ausgleichen. 33 Prozent passen in stark betroffenen Märkten die Gehälter an die Lebenshaltungskosten an und 30 Prozent geben an, dass sie Bonus und/oder Gehalt für alle Mitarbeitenden ändern. Rund ein Viertel der Unternehmen werden ihre Gehaltsmodelle nicht anpassen (26 Prozent). Lediglich 10 Prozent investieren in nichtmonetäre Benefits, um Gehaltssteigerungen zu vermeiden. Ein Prozent der Befragten gibt an, dass sie Benefits reduziert haben, um höhere Gehälter auszugleichen.
Gesundheit und Wellbeing
Auf die Frage nach den Prioritäten für die nächsten zwölf Monate im Kontext Wellbeing und Gesundheit im Rahmen der Benefits-Programme steht für die meisten HR-Verantwortlichen in der DACH-Region an erster Stelle, das Thema für die Anziehung, Bindung und das Engagement von Mitarbeitenden zu nutzen (79 Prozent). Für 55 Prozent ist die Unterstützung des Wellbeings der Beschäftigten Priorität und 45 Prozent möchten die Administrationsprozesse automatisieren.
„COVID-19 hat die Erkenntnis der Unternehmen verstärkt, dass die Förderung körperlicher und mentaler Gesundheit durch die Arbeitgeber ein zunehmend wichtiges Handlungsfeld ist. Mit nun dauerhaft veränderten Arbeitsweisen und mit den Folgen weiterer Krisen bleibt das Thema weiter wichtig – und wird im Arbeitsmarkt zunehmend diskutiert“, so Sebastian Karwautz, Partner und Leiter Career Central & Eastern Europe bei Mercer.
Bei den priorisierten Handlungsfeldern wird offensichtlich, dass nicht nur die Schaffung von Angeboten eine Herausforderung ist, sondern dass auch Kommunikation und Auffindbarkeit wichtig sind. So geben jeweils 36 Prozent der Unternehmen in der DACH-Region an, dass sie vor allem die Governance und Sichtbarkeit verbessern und in digitale Plattformen für Benefits investieren möchten. Etwas mehr als ein Drittel der befragten Unternehmen will einen Schwerpunkt darauflegen, die Benefits für alle Beschäftigtensegmente inklusiver anzulegen (34 Prozent). Fast genauso viele priorisieren die Ausrichtung der Benefits auf Werte, Purpose und Kultur (33 Prozent).
Skills und Employability
Technologiewandel, Transformation und steigende Komplexität bedingen einen immer größeren Bedarf an neuen Fähigkeiten in Unternehmen. HR-Manager:innen werden zunehmend zu Skill-Portfolio-Manager:innen, die das Business mit den dafür benötigten Arbeitskräften versorgen sollen. Die „Skills-Based-Organisation“ war bereits in den Global Talent Trends 2022 ein dominantes Schlagwort. Das Studien-Update aus diesem Jahr zeigt, womit die Unternehmen dabei zu kämpfen haben.
Auf die Frage, mit welchen Elementen Arbeitgeber auf dem Weg der Umsetzung gerade erst starten, antworten 60 Prozent der befragten HR-Verantwortlichen in der DACH-Region, dass sie vor allem an der Strategischen Workforce Planung arbeiten, die einerseits die Skill-Gaps aufzeigen und andererseits die Ableitung der Headcount-Bedarfe ermöglicht. An zweiter Stelle folgt die Voraussetzung dafür: die Sicherstellung, dass die Business-Pläne klar genug sind, um die Skill-Bedarfe der Zukunft herleiten zu können (58 Prozent). Danach folgen die Transparenz über die aktuell vorhandenen Skills (53 Prozent) und die Erörterung der Frage, welche der nicht vorhandenen Skills intern entwickelt werden können und welche extern rekrutiert werden müssen (55 Prozent).
„Themen und Reihenfolge legen nahe, dass Unternehmen sich durchaus bewusst sind, wie sie die Herausforderungen rund um Strategische Personalplanung, Schaffung von Transparenz über vorhandene und benötigte Skills bis zur Frage Entwickeln, Rekrutieren oder Leihen meistern können. Dies ist offenbar jedoch vielfach eher noch eine theoretische Erkenntnis, wenn man bedenkt, dass sich nur zwölf Prozent der Befragten derzeit in der Lage sehen, die Skills im Unternehmen zu kennen und zu bewerten“, so Eger. Die Rahmenbedingungen für die Planung sind offenbar entsprechend schwierig: Nur 5 Prozent geben an, aktuell sicherstellen zu können, dass die Business-Pläne klar genug sind, um die Anforderungen der Zukunft abzuleiten und nur 7 Prozent sehen die Workforce Planung selbst als fortgeschritten an.
Experience und gemeinsame Energie
Auf die Frage nach den größten Herausforderungen bei der Umsetzung der eigenen Transformationsbemühungen antworten 38 Prozent der befragten Unternehmen aus dem DACH-Raum, dass sie mit Erschöpfung bei den Mitarbeitenden kämpfen. Dass dies nicht alleine auf die Pandemie zurückzuführen ist, zeigt jedoch der Topwert zu der Frage: 56 Prozent der befragten Unternehmen sehen als Hauptproblem, dass die Mitarbeitenden mit zu vielen Prioritäten gleichzeitig konfrontiert werden und daher keine Konzentration finden.
Als weitere Herausforderung folgt auch bei dieser Frage der Mangel an Arbeitskräften und Skills (37 Prozent), bevor die nächsten Punkte einen Ausblick auf die Unsicherheiten des Jahres 2023 ermöglichen: Mehr als ein Viertel der befragten Unternehmen (26 Prozent) ist unsicher, ob die Umsetzung der Transformations-Agenda auch bei reduzierten Budgets gelingen kann. 23 Prozent sehen den Spagat zwischen wirtschaftlichem Überleben und gezielter Transformation. Beide Werte sind international deutlich höher: Global sieht jeweils fast ein Drittel diese beiden Punkte als einen der wichtigsten Stolpersteine dieses Jahres.