Fair Pay: Ausgangspunkt für einen Kulturwandel in Unternehmen 

Mit dem Equal Pay Day am 7. März rückt alljährlich ein Thema in den Fokus, das - nicht erst seit gestern - bei Unternehmen auf der Agenda steht: die faire, diskriminierungsfreie und transparente Vergütung. 

Frau Schulz, Frau Feilhuber, es gibt bereits umfassende regulatorische Vorgaben zu Fragen der diskriminierungsfreien Vergütung in Unternehmen. Braucht es da noch spezielle Anlässe wie den Equal Pay Day?

Jennifer Schulz: Ja, ich fürchte, die braucht es. Die europäische Regulierung will gesellschaftliche Veränderung treiben, indem sie Unternehmen in die Pflicht nimmt, Vergütungsgerechtigkeit zu fördern. Und das ist auch richtig, denn nach wie vor gibt es strukturelle Barrieren, die Frauen daran hindern, gleiche Karrierechancen wahrzunehmen. Es geht  um den Zugang zu gut bezahlten Jobs, aber auch um faire Beförderungschancen, gleiche Entwicklungsmöglichkeiten und transparente Gehaltsstrukturen. Unternehmen haben die Chance hier aktiv zu gestalten – und das tun viele ja auch bereits.

Mareike Feilhuber: Es ist wichtig zu betonen, dass ein gesamtgesellschaftlicher Ansatz erforderlich ist. Unternehmen können das Problem nicht allein lösen. Es bedarf umfassende Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen: Dazu gehören der gleichberechtigte Zugang zu Bildung, das Aufbrechen von Stereotypen sowie eine angemessene Bezahlung. All dies erfordert einen gesellschaftlichen Wandel, der politisch unterstützt werden muss. Neben dem politischen Engagement ist aber auch die Initiative und Verantwortung der Unternehmen gefragt, um nachhaltige Veränderungen zu bewirken.

Und wie funktioniert das?

Mareike Feilhuber: Sowohl der Equal Pay Day als auch die regulatorischen Vorgaben zielen darauf ab, auf die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern aufmerksam zu machen und Transparenz in der Vergütung zu fördern. Dabei wird der sogenannte unbereinigte Gender Pay Gap betrachtet, also das Lohngefälle zwischen Frauen und Männer ohne Berücksichtigung der Tätigkeit und anderen Einflussfaktoren, wie z.B. die Berufserfahrung. Der Rückgang des Gaps in diesem Jahr von 18% auf 16% ist laut statistischem Bundesamt hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass der Anteil der Frauen in gering bezahlten Tätigkeiten leicht gesunken ist. 

Sehen Sie in dieser Entwicklung ein stabiles Muster?

Mareike Feilhuber: Das bleibt abzuwarten. Wenn ja, wäre dies ein Indiz, dass die öffentliche Diskussion, die regulatorischen Verpflichtungen und die zunehmende Transparenz bereits zu ersten Verbesserungen Richtung Chancengleichheit geführt haben.

Jennifer Schulz: Ein fairer Vergleich erfordert immer auch die Betrachtung des bereinigten Gender Pay Gaps, der die eben genannten weiteren Einflussfaktoren berücksichtigt und damit das Prinzip gleiches Geld für gleiche oder gleichwertige Arbeit abbildet. Das ist insbesondere wichtig, um zu prüfen, ob und wo es möglicherweise sogar ein Lohngefälle bei gleichwertigen Tätigkeiten gibt und wie Unternehmen dies ausgleichen können. Zudem ermöglicht es die Analyse den Unternehmen, strukturiert zu erklären, wofür im Unternehmen unterschiedlich vergütet wird und den unbereinigten Gender Pay Gap transparent erläutern zu können.

„Ein fairer Vergleich erfordert immer auch die Betrachtung des bereinigten Gender Pay Gaps, der sämtliche relevanten Einflussfaktoren berücksichtigt und damit das Prinzip gleiches Geld für gleiche oder gleichwertige Arbeit abbildet.“

Sie haben für zahlreiche Unternehmen aller Branchen und Größe Fair Pay Projekte durchgeführt. Wie gehen Unternehmen mit den Herausforderungen der Regulatorik um?

Jennifer Schulz: Die meisten Unternehmen beschäftigt zunächst die Ermittlung des Gender Pay Gaps unter Einhaltung der Vorgaben, Fragen zur Einbeziehung und Vergleichbarkeit von Vergütungsbestandteilen. Der Fokus liegt hier eher auf der technischen Umsetzung. Eine Herausforderung ist es dabei, besondere Vergütungselemente wie z.B. Nebenleistungen sinnvoll in den Vergleich einzubeziehen, um aussagekräftige Analysen zu erhalten. Wir helfen dabei, einen effizienten Ansatz zu entwickeln, um die regulatorischen Anforderungen zu erfüllen und gleichzeitig den möglichen Ursachen von Vergütungsunterschieden auf den Grund zu gehen. 

Wie gehen Sie dabei vor?

Jennifer Schulz: Das beginnt in der Regel bei der Analyse der Organisationsstruktur und der internen Vergütungsregelungen. Im Weiteren erfolgt dann eine Zusammenstellung der Mitarbeitergruppen und die Datenermittlung für alle Vergütungselemente, die Definition des Berechnungsmodells für den bereinigten Pay Gap und schließlich die Analyse der wesentlichen Vergütungstreiber.

Aber läuft man beim Blick auf die technischen Details nicht Gefahr zu übersehen, wie stark sich der Aspekt der Transparenz auswirken wird?

Jennifer Schulz: Richtig, denn dieser Aspekt birgt eine Chance: die erste Frage sollte darum sein, wie kann die Chance genutzt werden, eine faire Vergütungspolitik zu entwickeln und sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren.

Mareike Feilhuber: In der Arbeit mit den Unternehmen wie auch in unseren Studien sehen wir, dass eine faire Entlohnung für die Wahl des Arbeitgebers immer wichtiger wird - sowohl bei der Gewinnung als auch bei der Bindung von Mitarbeitenden. Transparenz in Vergütungsthemen erfordert einen grundlegenden kulturellen Wandel innerhalb der Organisation.

Es geht also nicht nur darum, Gehaltsstrukturen offenzulegen.

Mareike Feilhuber: Nein, auch darum, eine Unternehmenskultur zu schaffen, in der Offenheit und Fairness selbstverständlich sind. Denn Arbeitnehmende haben bereits heute das Recht, Informationen darüber einzuholen, wie ihre Vergütung im Vergleich zu einer ausgewählten Vergleichsgruppe ausfällt - doch dieses Recht wird bislang kaum genutzt. Eine transparente Vergütung kann hier nicht nur Orientierung bieten, sondern auch das Vertrauen in das Unternehmen stärken und die Mitarbeiterbindung erhöhen.

Aber muss der Arbeitgeber nach neuer Gesetzgebung nicht nachweisen, dass er fair bezahlt?

Jennifer Schulz: So ist es. Zudem wird es künftig die Verpflichtung geben, Zielgehälter von Stellen schon im Bewerbungsprozess zu teilen. Dies ist bisher noch nicht überall üblich. Weiterhin müssen Arbeitgeber auch proaktiv transparent machen, wie Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen die eigene Vergütung und ihr berufliches Fortkommen beeinflussen können und wie sie im Vergleich zu anderen entlohnt werden. Hier sind Strukturen gefragt, die diese Transparenz tragen und im Zweifelsfall auch die Beweispflicht bei juristischen Auseinandersetzungen ermöglichen. 

Mareike Feilhuber: Damit ist aber auch klar: Kommunikation wird zum Schlüsselfaktor – darum sollten Unternehmen bereits zu Beginn sicherstellen, dass sie ein klares Bild davon haben, was sie ihren Mitarbeitenden vermitteln wollen. Es ist wichtig, die positiven Auswirkungen einer fairen Vergütung zu betonen, wie beispielsweise eine langfristig höhere Wettbewerbsfähigkeit. Ein gerechteres Vergütungssystem erhöht zudem die Attraktivität als Arbeitgeber. 

„Eine transparente Vergütungspolitik kann als Impulsgeber für einen umfassenden Wandel dienen, indem das Bewusstsein für Fairness im Unternehmen geschärft und eine offene und vertrauensvolle Unternehmenskultur gefördert wird.“

Und wie können Unternehmen das erreichen?

Mareike Feilhuber: Eine Analyse schafft Klarheit, wo konkreter Handlungsbedarf in Prozessen, Richtlinien und Systemen liegt, um Fair Pay nachhaltig zu verankern. Die Umsetzung der Maßnahmen, die sich aus der Analyse ergeben haben, ist dann entsprechend durch ein gesamtheitliches Change Management zu begleiten. Dazu gehört, das Management zu informieren und zu sensibilisieren, die Mitbestimmung passend einzubeziehen und die Führungskräfte zu befähigen, Gehaltsentscheidungen nachvollziehbar zu begründen bzw. zu erklären. Zudem können die kulturellen Themen einer Fair-Pay-Analyse ein zentraler Ausgangspunkt für Veränderungen sein.

Wie das?

Mareike Feilhuber: Eine transparente Vergütungspolitik kann als Impulsgeber für einen umfassenderen Wandel dienen, indem das Bewusstsein für Fairness im Unternehmen geschärft und eine offene und vertrauensvolle Unternehmenskultur gefördert wird. Entscheidend ist, Mitarbeitende einzubeziehen, um Verständnis und Akzeptanz zu schaffen und nachhaltige Veränderungen zu ermöglichen.

Was braucht es für diesen Wandel?

Jennifer Schulz: Eine wesentliche Grundlage für die Analyse und Erklärung des Lohngefälles ist eine Wertigkeitsstruktur der Stellen im Unternehmen. Hier stellen wir fest, dass es in vielen Unternehmen Anpassungsbedarf gibt oder teilweise solche Strukturen erst geschaffen werden müssen. Dies bedeutet zwar nicht automatisch, dass im Unternehmen unfair vergütet wird, erschwert aber die Erklärung und den Nachweis fairer Vergütung. Genauso wichtig ist es auch, eine Vergütungsphilosophie und -strategie zu haben, die im Unternehmen entsprechend transparent kommuniziert wird. Das beginnt mit der Beantwortung der Frage „was bedeutet für uns faire Vergütung“? Dies ist die Grundlage für die Etablierung einer fairen und transparenten Entlohnung. Oft wird unterschätzt, wie wichtig eine solche Definition für ein gemeinsames Verständnis zur Vergütungspolitik im Unternehmen ist. Die Berichterstattung über die Vergütung ist ein Muss, aber das Erreichen einer fairen Vergütung ist das Ziel.

Und wie sieht es mit der Transparenz nach außen aus?

Mareike Feilhuber: Unternehmen müssen entscheiden, in welchem Umfang sie ihre Vergütungsniveaus und -strukturen über die gesetzlichen Vorgaben hinaus transparent machen und wie sie diese strategisch kommunizieren. Durch Maßnahmen wie eine Fair-Pay-Zertifizierung können sie nachweisen, dass sie hohen Standards entsprechen und sich als verantwortungsbewusster sowie attraktiver Arbeitgeber positionieren. Eine gezielte externe Kommunikation stärkt nicht nur die Arbeitgebermarke, sondern trägt auch zur Differenzierung im Wettbewerb bei.

Jennifer Schulz: Uns zeichnet aus, dass wir in der Lage sind, diese Reise in allen Aspekten und Dimensionen zu unterstützen: von der Vergütungsphilosophie und -konzeption über die Datenanalyse und -berechnung bis hin zur Begleitung bei der Zertifizierung sowie der internen und externen Kommunikation und dem begleitenden Change Management. Damit können wir sicherstellen, dass bei Bedarf alles in einem integrierten, effizienten und nachhaltigen Prozess verläuft.

Frau Schulz, Frau Feilhuber, vielen Dank für das Gespräch!

Über den/die Autor:in(nen)
Jennifer S. Schulz

Senior Principal, Pay Equity Lead, Mercer Strategic People Advisory

Mareike Feilhuber

Principal, Mercer Strategic People Advisory

Related products for purchase
    Related Solutions
      Related Insights
        Related Case Studies
          Curated