Transformation gelingt nur mit Kommunikation
19 Februar 2025
Ein Interview mit den Mercer Strategic People Advisors Christoph Batzilla und Christian Weiland zur Bedeutung strategischer Kommunikation im Rahmen von Transformations- und Veränderungsprojekten.
Herr Batzilla, Herr Weiland, in der Diskussion zu Transformationsprojekten wird immer wieder auf die Kommunikation als Schlüssel für eine erfolgreiche Umsetzung verwiesen. Warum wird dieses Thema dennoch nur selten von Anbeginn mitgedacht?
Christoph Batzilla: Effektive Kommunikation sollte in der Tat von Anfang an strategisch geplant werden. Sie ist nicht nur notwendiges Beiwerk, sondern zentraler Erfolgsfaktor gerade für umfangreiche und komplexe Veränderungen, wird aber häufig nicht oder zu spät mitgedacht…
…weil andere Faktoren zunächst wichtiger erscheinen?
Christoph Batzilla: Oft konzentrieren sich die Verantwortlichen auf technische, organisatorische oder wirtschaftliche Aspekte eines Projekts. Unzureichende, unabgestimmte und fehlende Kommunikation kann somit zu einem erheblichen Risiko im Rahmen von Transformationen werden, seien es digitale Transformationen, Post Merger Integrationen oder organisatorische Veränderungen.
Christian Weiland: Das Bewusstsein für die Bedeutung von Kommunikation ist normalerweise vorhanden und wird auch als eine Kernaufgabe der Projektverantwortlichen und -sponsoren definiert. Im Stress des Projektalltages fällt es als vermeintlich weiches Thema dann aber gern anderen Prioritäten zum Opfer. Es ergibt sich eine kognitive Verzerrung: In der dauerhaften Datenflut fehlt der Überblick über den Stand der Informationsverteilung und das Bewusstsein für den eigenen Wissensvorsprung. Mangelt es dann an ausreichend Ressourcen und Investitionen für ein Kommunikationsteam zur Unterstützung, dann ist man früh am Feuerlöschen von Fehlinformationen, Missverständnissen, Gerüchten und dem reaktiven Einfangen irritierter Stakeholder.
Sie sprechen von einem „vermeintlich“ weichen Thema?
Christan Weiland: Projektverantwortliche unterschätzen gern, wie disruptiv jede Form von Veränderung auf dem persönlichen Level sein kann. Widerstände bilden sich oft gar nicht gegen Inhalte selbst, sondern die Veränderung an sich, die damit einhergehenden Unsicherheiten und die benötigte Neuorientierung. Hierbei kann schon die initiale Kommunikation Irritation und Nährboden für Widerstand sein: Werden Veränderungen beiläufig kommuniziert, Hintergründe und Zielrichtung nicht ausreichend erklärt und Möglichkeiten für Rückfragen nicht eingeräumt, dann kann es mit der Schadensbegrenzung via Kommunikation nicht schnell genug gehen.
Oft ist es dann aber schon zu spät!
Christoph Batzilla: Spätestens dann sollten die Widerstände ernst genommen und Vertrauen in die anstehenden Veränderungen aufgebaut werden. Aber die Ausgangsbasis ist jetzt eine grundlegende andere: Es muss erst einmal wieder Vertrauen aufgebaut werden.
Wie meinen Sie das?
Christoph Batzilla: Wird Kommunikation nicht von Anfang an als integraler Bestandteil des Change-Prozesses geplant, sondern beiläufig improvisiert und reaktiv gehandhabt, führt das zu Unsicherheit und Misstrauen. Dabei ist es sinnvoll und wesentlich erfolgversprechender, vorab über Veränderungen zu informieren, potenzielle Widerstände zu identifizieren und darauf abgestimmte Kommunikationsmaßnahmen gezielt zu adressieren. Das sorgt von Anbeginn für mehr Ruhe im Projekt, hilft absehbare Fallen zu umschiffen, aktive und passive Unterstützung zu schaffen und damit Projektpläne einzuhalten.
„Es ist sinnvoll und wesentlich erfolgversprechender, vorab über Veränderungen zu informieren, potenzielle Widerstände zu identifizieren und darauf abgestimmte Kommunikationsmaßnahmen gezielt zu adressieren.„
Kommunikation ist ja nicht nur ein Prozessthema, sondern auch abhängig davon, welche Botschaften wann wie gesendet und wie sie bei welchen Zielgruppen empfangen werden.
Christian Weiland: In der Tat. Was man steuern kann, ist das Was, Wann, Wie und von wem kommuniziert wird. Dafür braucht es aber zentral definierten Kernbotschaften, die zielgruppengerecht aufgearbeitet sind, gute Planung und Vorbereitung und ein Verständnis der gelebten Unternehmens- und Kommunikationskultur. Wie es am Ende empfangen wird, lässt sich nie vorhersagen. Daher ist Dialog und Feedback so wichtig - und die kontinuierliche Weiterentwicklung der Kommunikationsstrategie.
Können Sie das an einem Beispiel illustrieren?
Christian Weiland: Nehmen wir ein Thema aus unserer momentanen Beratungspraxis: Die Einführung einer Job-Architektur – ein Thema, was viele Unternehmen u.a. in Anbetracht der kommenden EU Pay Transparency Legislative bewegt. Mit der Job-Architektur an sich ändert sich für Mitarbeitende und Führungskräfte zunächst kaum etwas. Das ist HR-Strukturarbeit, die es für viele potenzielle Änderungen braucht. Die benutzte Expertensprache lässt aber – wenn nicht gut erklärt und übersetzt – Raum für Spekulation. Zum Beispiel können Begriffe wie Job, Level, Grading etc. Befürchtungen auslösen, dass es um Änderungen der persönlichen Aufgaben, Verantwortlichkeiten und/oder des Gehaltes geht. Ich habe sogar schon erlebt, dass sich wegen mangelnder Kommunikation in einem solchen Projekt ein Betriebsrat gegründet hat.
Welche Rolle kommt den Führungskräften in der Kommunikation von Veränderungsprozessen zu?
Christoph Batzilla: Führungskräfte sind die entscheidenden Initiatoren und Motoren für die Veränderung und im laufenden Prozess auf den verschiedenen Ebenen auch die Leuchttürme für den positiven Umgang mit Veränderung – im gelebten Alltag wie auch in der Kommunikation im Speziellen. Das Top-Management muss durchgehend zeigen, dass es hinter den strategischen Zielen einer Transformation und ihren Gestaltern steht. Insbesondere dem Mittel-Management kommt als Übersetzer der Veränderungen für die Mitarbeitende eine zentrale Rolle zu. Wenn die Führungsmannschaft die Veränderung gemeinsam trägt, versteht, transparent kommuniziert und glaubhaft vorlebt, entsteht Vertrauen.
Christian Weiland: Daher ist es immer ein Fehler, wenn Führungskräfte die offene Kommunikation scheuen, weil sie befürchten, dass schlechte Nachrichten zu Unruhe führen. Mangelnde Kommunikation führt zu Unsicherheit und Interpretationsspielräumen. Als Menschen sind wir evolutionär verschaltet, bei Unklarheit vorsichtig zu sein und potenzielle Risiken und Bedrohung verstärkt wahrzunehmen.
Christoph Batzilla: Es ist ein in Führungskräftekreisen auch immer wieder anzutreffender Irrglaube, dass eine einmalige Information ausreicht, um alle Beteiligten und Betroffenen abzuholen. Dem ist nicht so, auch wenn der Projektstart noch so klar, präzise und laut vermittelt wurde. Nachhaltige Veränderung erfordert kontinuierlichen Dialog, Feedback-Schleifen und nicht zuletzt zielgruppenspezifische Kommunikationskanäle.
Wir agieren in Zeiten des permanenten Wandels. Sehen Sie bei Führungskräften gereifte Change-Kompetenzen und ein stärkeres Bewusstsein für Veränderungen?
Christoph Batzilla: Ja, wir sehen eine Veränderung. Es gibt Industrien, in denen Führungskräfte wie auch Mitarbeitende diesen permanenten Wandel schon als kulturelles Element akzeptiert und integriert haben. Aber in anderen Unternehmen wiederum scheint die Transformation wie aus heiterem Himmel hereinzubrechen. Im Zeitalter von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz müssen Veränderungsmanagement und die in diesem Rahmen erforderlichen Anforderungen an die Kommunikation als Kernkompetenzen eines erfolgreichen Unternehmens verstanden werden.
„Im Zeitalter von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz müssen Veränderungsmanagement und die in diesem Rahmen erforderlichen Anforderungen an Kommunikation als Kernkompetenzen eines erfolgreichen Unternehmens verstanden werden„
Mit welchen Dienstleistungen können Sie Unternehmen in diesen Fragen unterstützen?
Christoph Batzilla: Wir unterstützen Unternehmen unterschiedlicher Branchen national und multinational bei unterschiedlichsten Veränderungsmaßnahmen. Auf Basis erprobter Methoden und Vorgehensmodelle begleiten wir unsere Kunden von der Konzeption bis zur Umsetzung. Dies reicht von der Formulierung eines klaren Narrativs über Stakeholder-Analysen und zielgruppenorientierte Kommunikationsstrategien bis hin zur Kommunikation mit Arbeitnehmervertretungen.
Christian Weiland: Darüber hinaus ist es uns ein Anliegen, Change Management als Kernkompetenz im Kundenteam zu stärken. Dies unterstützen wir durch Trainings der Projektmitglieder und eine stark kollaborative Arbeitsweise. Erfolgreiche Veränderungen kommen immer aus dem Unternehmen selbst. Wir helfen dabei mit kompetenten und erfahrenen Change-Beratern.
Herr Batzilla, Herr Weiland, vielen Dank.
Director - Talent Strategy Consulting |
Senior Manager - Talent Strategy Consulting