Kein Anspruch auf Fortführung eines Zeitwertkontos 

13 Januar 2025

Der 6. Senat des BAG hatte sich in seiner Entscheidung vom 1.8.2024 – 6 AZR 191/23 – mit der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses und der Auszahlung eines Wertguthabens i.S.d. § 7b Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) zu befassen.

Das BAG entschied zugunsten der beklagten Arbeitgeberin, so dass der Störfall abzurechnen und das Wertguthaben auszuzahlen war. Die Revision des klagenden Arbeitnehmers wurde somit zurückgewiesen.

Sachverhalt

Die Parteien stritten über den Zeitpunkt der Auszahlung des Wertguthabens aus dem Zeitwertkonto des Klägers, für das kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit die Regelungen der Tarifverträge der Deutschen Post AG, ua der Tarifvertrag Nr. 160 „Zeitwertkonto“ (TV ZWK) vom 5.10.2011 idF des Tarifvertrags Nr. 228 vom 31.1.2022 galten. Der hier wesentliche § 6 TV ZWK enthielt folgende Bestimmungen:

„Vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Störfall)

(1) Ab dem Zugang einer Kündigung, der Unterzeichnung einer Aufhebungsvereinbarung, dem Zeitpunkt des Zugangs der behördlichen Feststellung einer Erwerbsminderung sowie dem Zeitpunkt des Todes können keine weiteren Einbringungen in das Wertkonto erfolgen.

Soweit möglich soll in diesen Fällen das Wertguthaben von der Kenntnis der Beendigung bis zum Beendigungszeitpunkt durch Freistellung abgebaut werden.

(2) Kann bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses insbes. aufgrund von Kündigung, Aufhebungsvereinbarung, Erwerbsminderung oder Tod ein Wertguthaben aus zwingenden betrieblichen Gründen bis zum Zeitpunkt der Beendigung nicht mehr oder nicht mehr vollständig für eine Freistellung nicht verwendet werden und macht der Arbeitnehmer von der Möglichkeit der Übertragung des Wertguthabens auf einen neuen Arbeitgeber oder die Deutsche Rentenversicherung Bund keinen Gebrauch, so ist das verbleibende Guthaben unverzüglich nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers an den Arbeitnehmer auszuzahlen. Im Fall seines Todes erfolgt die Auszahlung an dessen Hinterbliebene oder Erben.

(3) Eine Auszahlung des Wertguthabens erfolgt stets nach Anwendung der steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften.“

Der Kläger bezog zuletzt aufgrund des Bescheids der Deutschen Rentenversicherung vom 10.3.2021 rückwirkend ab März 2020 eine volle Erwerbsminderungsrente auf Zeit. Mit Schreiben vom 30.3.2021 teilte ihm die Beklagte (Deutsche Post AG) daraufhin mit, dass die Voraussetzungen des § 37 Abs. 2 MTV-DP AG, der die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Zugang des Rentenbescheids zum Bezug einer Alters-, Erwerbsminderungs- oder Unfallrente jeweils als Vollrente mit Ablauf des Vormonats des ersten Rentenzahlmonats vorsieht, erfüllt seien. Das Arbeitsverhältnis ende daher zum 31.3.2021.

Der Kläger beantragte zuletzt, die Beklagte zu verurteilen, das Wertguthaben auf seinem Zeitwertkonto so lange zurückzustellen, bis ihm entweder eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung, Altersrente oder Unfallvollrente gewährt wird oder er das Wertguthaben für eine Freistellung verwendet oder auf einen neuen Arbeitgeber oder die Deutsche Rentenversicherung überträgt.

Die Beklagte beantragte Klageabweisung und meinte, § 6 Abs. 2 TV ZWK regele unmissverständlich, dass die Auszahlung des Wertguthabens unabhängig von der Art der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwingend zu erfolgen habe, sofern eine Freistellung bzw. Übertragung nicht möglich sei.

Entscheidung

Das BAG entschied zugunsten der Beklagten. Es nahm an, dass der Kläger mit der „Zurückstellung“ des Guthabens auf seinem Zeitwertkonto der Sache nach begehrte, die Auszahlung des angesparten Betrags bis zum Eintritt eines der im Antrag im Einzelnen bezeichneten Ereignisse zu unterlassen.

Grundsätzlich Unterlassungsanspruch, …

Dieser Unterlassungsanspruch sei nach Ansicht des 6. Senats zwar zulässig und gem. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO auch hinreichend bestimmt, aber er bestehe nicht. Gem. § 6 Abs. 2 TV ZWK habe die Auszahlung des Wertguthabens an den Arbeitnehmer unabhängig von der Art der Beendigung des Arbeitsverhältnisses unverzüglich nach seinem Ausscheiden zu erfolgen, sofern das Guthaben – wie im Fall des Klägers – weder durch bezahlte Freistellung abgegolten noch auf einen anderen Arbeitgeber bzw. die Deutsche Rentenversicherung Bund übertragen werden könne. Andere Sachverhaltskonstellationen, die den Arbeitgeber verpflichten würden, bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zugunsten des Arbeitnehmers von einer sofortigen Abwicklung des Zeitwertkontos abzusehen, sehe die Tarifnorm nicht vor. 

… Tarifvertrag aber eindeutig.

Dies folge bereits aus dem unmissverständlichen Wortlaut dieser Norm („bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses insbesondere aufgrund von“ generalisierend für sämtliche Beendigungsmöglichkeiten). Auch Sinn und Zweck dieser Regelung spreche dafür. Der Regelung liege – wie schon die Wendung „unverzüglich“ zeige – u.a. der Gedanke zugrunde, dass in den Fällen, in denen das Wertguthaben nicht mehr für eine bezahlte Freistellung oder eine der vorgesehenen Übertragungen verwendet werden könne, eine zügige Abwicklung erfolgen solle, um für die Arbeitsvertragsparteien – auch vor dem Hintergrund der Insolvenzsicherungspflichten der Beklagten nach § 8 TV ZWK – schnell Sicherheit über das rechtliche Schicksal des Zeitwertkontos zu schaffen. Zugleich werde dem Kläger dadurch auch außerhalb einer existenzbedrohenden Notlage i.S.v. § 7 TV ZWK, der eine Vereinbarung über eine Auszahlung im laufenden Arbeitsverhältnis zulässt, eine anderweitige Verwendung des Geldes ermöglicht, was bei Fortbestand des Zeitwertkontos über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus im Tarifvertrag nicht vorgesehen sei, so das BAG weiter. Mit diesem Sinn und Zweck wäre die Annahme, die Auszahlung des Guthabens sei auf gegebenenfalls Jahre nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis zu verschieben, nicht vereinbar. 

Einschätzung

Das BAG sieht den Störfall wegen der Auszahlung des Wertguthabens an den Arbeitnehmer wohl als positiv an, dürfte dabei allerdings verkennen, dass es für Arbeitnehmer Situationen gibt, in denen dies aus individuellen Gründen tatsächlich gar nicht der Fall ist. Auch könnte es im Zusammenhang mit dem Eintritt des Störfalls möglicherweise auf das Bestehen einer Erwerbsminderung auf Zeit oder auf Dauer ankommen. Interessant ist in diesem Zusammenhang schließlich, dass das BAG einen Unterlassungsanspruch bezogen auf die Auszahlung eines Wertguthabens im Störfall (Rückstellung) entweder bis zur Gewährung einer unbefristeten Rente wegen voller Erwerbsminderung, Altersrente oder Unfallvollrente oder der Verwendung des Wertguthabens für eine Freistellung oder der Übertragung auf einen neuen Arbeitgeber bzw. die Deutsche Rentenversicherung möglicherweise für zulässig erachtet.
In den Fällen, in denen ein Wertguthaben nicht mehr für eine bezahlte Freistellung oder eine Übertragung verwendet werden kann, soll eine zügige Abwicklung erfolgen, um für die Arbeitsvertragsparteien schnell Sicherheit über das rechtliche Schicksal des Zeitwertkontos zu schaffen.
Über den/die Autor:in(nen)
Sebastian Walthierer
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