Karriereentwicklung: Das nächste entscheidende Differenzierungsmerkmal im War for Talent 

Mitarbeiterin mit ernstem Blick

Flexible Arbeit und Vergütung sind nicht genug. Es ist an der Zeit berufliche Weiterentwicklung möglich zu machen

Personalverantwortliche beobachten einen neuen Trend: Bewerber:innen verhandeln über ihre Karriereentwicklung als Teil ihres Arbeitsvertrags.

Dieser Trend erinnert an die Vergangenheit, als viele Arbeitnehmer:innen in verschiedenen Funktionen und Organisationen Bedingungen aushandelten, die den allgemeinen Standard angehoben haben. Vor weniger als einem Jahrzehnt hatten CHROs damit zu kämpfen, dass die Erwartungen der Mitarbeiter:innen an die Rahmenbedingungen der Elternzeit gestiegen sind. Die Mitarbeiter:innen begannen, unzureichende Richtlinien in Frage zu stellen und von den Unternehmen Unterstützung zu verlangen, die über die gesetzlichen Mindestanforderungen hinausging. Damals war es nicht ungewöhnlich, dass ein:e Bewerber:in in der letzten Angebotsphase mündlich über seine/ihre Elternzeitleistungen verhandelte. Die Unternehmen mussten ihre Richtlinien und Maßnahmen anpassen, um neuen Bewerber:innen zu zeigen, dass das Unternehmen Mitarbeiter:innen mit Familienzuwachs unterstützt.

Die Pandemie hat die Menschen dazu veranlasst, sich darüber klar zu werden, was ihnen bei der Arbeit und im Leben wirklich wichtig ist - und infolgedessen stellen die Mitarbeiter:innen höhere Anforderungen an ihren Arbeitsplatz. Mercer's Global Talent Trends Studie 2022 befragte mehr als 8.000 Mitarbeiter:innen. Auf die Frage, warum sie sich für ein Unternehmen entschieden haben, kam die Möglichkeit der beruflichen Weiterentwicklung auf Platz drei, gleich nach der Arbeitsplatzsicherheit und der Arbeitgebermarke bzw. dem Ruf des Unternehmens.

Wenn Bewerber Personalverantwortliche fragen, ob das Unternehmen diese Dinge bietet, lautet die Antwort oft „ja“. Die Personalverantwortlichen wollen in den meisten Fällen nicht absichtlich in die Irre führen, sie sind einfach nur optimistisch. In der Regel will das Unternehmen diese Dinge anbieten und es gibt interne Diskussionen darüber, wie man sie anbieten kann - aber die Infrastruktur, um sie bereitzustellen, fehlt oftmals noch.

Jetzt, da die erste Zeit der Pandemie überwunden ist, ist es an der Zeit, auf die Erkenntnisse der letzten Jahre in Bezug auf Ihre Talentstrategie zurückzublicken und zu entscheiden, welche Learnings Sie für Ihre künftige Roadmap berücksichtigen wollen.

Ein strategischer Ansatz zum Verständnis, Aufbau und zur Bereitstellung der von Ihren Mitarbeiter:innen und Bewerber:innen gewünschten Karriereentwicklung muss für Sie als Business Leader:in oberste Priorität haben. Hier erfahren Sie, wie Sie damit beginnen können:

Stellen Sie die Karriereplanung in den Mittelpunkt Ihres Gesamtvergütungspakets

Normalerweise denkt man bei Gesamtvergütungen an Gehalt und Gesundheitsleistungen. Doch die Bewerber:innen erwarten jetzt eine Karriereentwicklungsplanung - und bestehen vielleicht sogar darauf, dass die Entwicklungsmöglichkeiten schriftlich festgehalten werden, weil sie mit leeren Versprechungen enttäuscht wurden.

Karriereplanung als Teil der Vergütung ist kein theoretisches Konzept. Es geht um den realen Wert in Euro, den Mitarbeiter:in und Bewerber:in Dingen wie einer Gehaltserhöhung infolge einer Beförderung oder dem Erwerb künftiger Skills, um sich den schnell ändernden Arbeitsanforderungen anzupassen, beimessen. Wenn Sie in den Aufbau der für Ihr Unternehmen erforderlichen Skills investieren, können Sie das Risiko minimieren, dass wichtige Positionen unbesetzt bleiben.

Der Talentpool eines Unternehmens ist eine Kombination aus externer Rekrutierung und interner Kompetenz und Skillentwicklung. Aufgrund jahrelanger unzureichender Investitionen in Weiterbildungsprogramme und eines Bewerbermarktes, auf dem Unternehmen neue Talente nicht mehr einfach extern "einkaufen" können, berichten 71 Prozent der Führungskräfte von Schwierigkeiten bei der Einstellung der richtigen Talente zu den angemessenen Kosten. Während 88 Prozent der Arbeitnehmer:innen angeben, mit ihrem Arbeitsplatz zufrieden zu sein, beabsichtigen nur 60 Prozent, mindestens sechs bis 12 Monate zu bleiben.

Unternehmen müssen in den nächsten zwei bis drei Jahren die Entwicklungschancen und Karrierewege zu einem Teil der Gesamtvergütungsstrategie machen, wenn sie ein attraktiver Arbeitgeber für Talente werden wollen. Die Investitionen und das Commitment zur Skill- und Kompetenzentwicklung als Geschäftsinitiative muss oberste Priorität eingeräumt werden – nur so können Top Talente gewonnen und gehalten werden.

Bauen Sie Skills für zukünftige Geschäftsergebnisse auf

In der heutigen Welt haben fast alle Skills ein Verfallsdatum und die Menschen sind bestrebt, sich weiterzubilden und umzuschulen (Upskilling und Reskilling). Das ist ein Gewinn für Arbeitgeber und Arbeitnehmer:innen. Business Leader:innen sollten bei der Suche nach Talenten davon ausgehen, dass sich die Kompetenzen und Skills der Mitarbeiter:innen im Laufe der Zeit ändern müssen und nicht durch Geld zu ersetzen sind. Während im Jahr 2020 der „Einkauf“ von Skills die wichtigste Maßnahme war, um die Qualifikationslücke zu schließen, wird in Zukunft die gezielte Weiterbildung die wichtigste Maßnahme für Unternehmen und Personalverantwortliche sein.

Den Personalabteilungen kommt eine entscheidende Rolle bei der Bereitstellung der erforderlichen Infrastruktur zu. Unternehmen, die Skills Frameworks verwenden, haben es Bewerber:innen, Personalleiter:innen und dem Talent Management Team ermöglicht, gemeinsam über Qualifikationen zu sprechen. Wir sehen dies an der Einrichtung einer Skill-orientierten Jobarchitektur. Bei The RealReal hat sich das HR-Team mit einem externen Unternehmen für berufliche Entwicklung zusammengetan, um für das Unternehmen maßgeschneiderte Karriereerwartungen auf verschiedenen Ebenen zu entwickeln und einzuführen. Damit wurde die Grundlage geschaffen, um Mitarbeiter:innen und Personalmanager:innen einen Leitfaden an die Hand zu geben, der verdeutlicht, wie ein:e Mitarbeiter:in durch bestimmte Verhaltensweisen und Entwicklungsmöglichkeiten wachsen kann. 

Um diese Qualifikationsstrategie mit Leben zu füllen, müssen Unternehmen eine Infrastruktur aufbauen, die ihren Personalverantwortlichen, Manager:innen und Mitarbeiter:innen hilft, die vielversprechenden Karrieremöglichkeiten zu erkennen. Während 86 % der Unternehmen angeben, dass sie zum Zeitpunkt der Einstellung "für Skills bezahlen", geben nur 31 Prozent der Unternehmen an, dass sie die Entwicklung von Skills belohnen, 33 Prozent verfolgen den Marktwert von Skills, 35 Prozent passen die Bezahlung an gefragte Skills an. Am überraschendsten ist, dass nur 12 Prozent die Marktnachfrage oder die Verfügbarkeit von Skills formell überwachen. Genügend Skills im Unternehmen zu halten und zu entwickeln erfordert eine abgestimmte Strategie, die sicherstellt, dass die Funktionen Talent Acqusition, Vergütung und Talent Development aufeinander abgestimmt sind und eine integrierte Skill Strategie umsetzen.

Umsetzung von Versprechen in Bezug auf die berufliche Entwicklung

Die Mitarbeiter:innen von heute sind interne Kund:innen. Und es besteht die Möglichkeit, sie mehr wie diese zu behandeln, indem man eine Infrastruktur aufbaut, die ihre Bedürfnisse erfüllt und ihre Zufriedenheit mit ihrem Arbeitsplatz misst. Die Menschen haben überall die Möglichkeit, aus der Ferne zu arbeiten, und das Stigma des Job-Hoppings ist verschwunden.

Viele Unternehmen haben einen Head of Employer Branding, aber diese Rolle ist im Recruiting angesiedelt. Die neue Rolle, die Unternehmen brauchen, ist die eines Head of Employee Success. Diese Person und ihr Team sind verantwortlich für:

  • Jedem/ jeder Mitarbeiter:in dabei zu helfen, sein/ ihr Karriereziel zu erreichen
  • Sicherstellen, dass die Mitarbeiter:innen die bei der Einstellung versprochenen Entwicklungsmöglichkeiten erhalten
  • Interne Talente identifizieren und mit offenen Stellen abzugleichen
  • Mitarbeiter identifizieren, die für eine andere Rolle umgeschult (Reskilling) werden können
Wenn so eine Infrastruktur vorhanden ist, kann ein:e Mitarbeiter:in viele verschiedene Karrierewege innerhalb eines Unternehmens durchlaufen, sich beruflich verwirklichen und gleichzeitig die Betriebskosten des Unternehmens senken.

Werden und bleiben Sie ein attraktiver Arbeitgeber für Talente

Vorbei sind die Zeiten, in denen der Arbeitgeber alle Karten in der Hand hatte, wenn es um die berufliche Laufbahn eines Menschen ging. Der Bewerbermarkt ist in vollem Gange, und mit ihm die Erwartung an eine berufliche Weiterentwicklung. Die Arbeitnehmer:innen verlangten diese Veränderungen bereits, aber die Pandemie machte sie zu einer Top-Priorität.

Die Pandemie und der neue Arbeitsmarkt haben auch den Aufgabenbereich der Personalabteilung drastisch erweitert, aber die der Personalabteilung zugewiesenen Ressourcen wurden nicht erweitert, um den Bedarf effektiv zu decken. Damit Unternehmen diese neue Talentstrategie ohne Abstriche entwerfen, entwickeln und umsetzen können, ist eine größere Investition in den Bereich Talent Management erforderlich.

Warum kündigen Mitarbeitende? In vielen Fällen werden Sie feststellen, dass es daran liegt, dass sie bessere berufliche Entwicklungsmöglichkeiten suchen. Wenn Sie in Karrierewachstum als fortlaufenden Prozess investieren, wird Ihr Unternehmen zu einem Ort für Talente in der Gegenwart und Zukunft der Arbeit - und nicht in der Vergangenheit.

Über den/die Autor:in(nen)
Nicole Peichl

Partnerin, Expertin für People and Talent Strategies

Weitere Lösungen
    Verwandte Erkenntnisse